Logbuch
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Pazifiküberquerung
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19. Mai bis 16. Juni 2010

Tag 1 19./20. Mai 2010
Wir erwischen einen traumhaft schönen Tag, um die Galapagos zu verlassen. Die Sonne strahlt und zum ersten Mal sehen wir auch den Gipfel des Vulkans. An Land haben wir bereits gestern den Zarpe – die Segelberechtigung – bei den Hafenbehörden abgeholt und machen uns startklar. Als wir das Ausbaumen der Genua üben wollen, klemmt der Befestigungsmechanismus. Da kommt uns wieder in den Sinn, dass wir dieses Problem schon vor der Atlantiküberquerung hatten. Allerdings hat keiner von uns daran gedacht, dieses Teil in den vergangenen drei Jahren zu warten. Selber schuld! Mit viel WD40, Geduld, dem Durchschlag und dem Hammer gelingt es Martin, das Teil wieder beweglich zu machen. Beim Anker aufnehmen treffe ich auf einen winzigen Gecko an Deck. Ob der wohl auf Suleika zur Welt gekommen ist? Mit einer stündigen Verspätung zur ursprünglichen Planung motoren wir aus dem Ankerplatz und die ersten anderthalb Stunden, setzen dann Segel. Schon nach einer Stunde schläft der Wind wieder ein. So starten wir den Motor erneut. Auf dem Weg zum Felsen Roca Union, von dem wir mit Suleika einen viel grösseren Abstand wahren als mit dem Motorboot anlässlich unseres Ausflugs zu den Los Tuneles, sehen wir Mantas, Seehunde, eine Meeresschildkröte, jede Menge blaufüssige Tölpel und Petrells, die Vögel, die auf dem Wasser gehen können. Wir motoren die ganze Nacht durch eine platte See. Gegen neun Uhr morgens kommt Dünung und Wind auf. Wir schaukeln auf anderthalb Meter hohen Wellen friedlich rauf und runter. Da heute Martins Geburtstag ist, gibt es Spiegeleier zum Morgenessen. Da bei Krängung schwierig zu fabrizieren, koche ich die unter normalen Umständen nur am Ankerplatz. Doch heute wird gefeiert.
Wir werden täglich unser Etmal bekannt geben. Beim Etmal handelt es sich um die Luftlinie vom Schiffsmittag des Tages A und dem Schiffsmittag des Tages A+1. Das Etmal wird in Nautischen Meilen (nm, gleich ca. 1.9 km) angegeben. So könnt Ihr nachvollziehen, wie weit wir es in vierundzwanzig Stunden bringen.
Aktuelles Etmal: 117 nm. Die ganze Strecke, die wir zurücklegen werden, beträgt ca. 2’900
nm.

   
Abschied von den Seehunden, Isla Isabela    


Tag 2 20./21. Mai 2010
Zur Feier von Martins Geburtstag gibt es ein frisch gemachtes Guacamole mit Chips und ein paar Rädchen unseres letzten Salamis an Bord. Der Wind ist echt herrlich und Suleika gleitet sanft durch die Pazifikwellen. Wir geniessen die ruhige, doch flotte Fahrt. Zum Abendessen möchte ich die grösste unserer selbstgemachten Rindfleischkonserven servieren. Doch, oh Schreck, das Vakuum hat nicht gehalten und wir müssen den Inhalt über Bord kippen. Zum Glück waren die anderen zwei Gläser dicht und wir greifen auf eine etwas kleinere Ration zurück. Während des Abendessens sehen wir ein Schiff, das in vernünftigem Abstand an uns vorbei fährt. Kaum bin ich im Bett, begegnet Martin noch ein Fischerboot. Als ich zur Nachtwache komme – wir tragen die dicken Ölzeugjacken und, wie die Marktfrauen in Otavalo, eine Wolldecke um den Bauch geschlungen, damit wir warm sitzen und die Beine schön warm gehalten werden – zeichnet der Mond eine Lichtstrasse auf das rabenschwarze Meer, der Suleika folgt. Rechts hängt der grosse Wagen am Himmel und links strahlt das Kreuz des Südens. Über Suleika spannt sich die Milchstrasse. Wunderschön. Als ich mich nach einem 360 Grad Kontrollblick wieder setze, entdecke ich vermeintlich ein schwarzes Segel am Horizont. Ich brauche einen Moment um zu realisieren, dass wir knapp zwei Meter an einer Fischerboje vorbeifahren.... Glück gehabt. Bei der zweiten Schicht ist der Mond untergegangen und die Sterne erstrahlen umso klarer. Gegen Morgen nimmt der Wind massiv ab und die Segel flappen. Ich ziehe die Fock ein. Martin regelt die Segelstellung neu, als er an Deck kommt. Wir verbringen einen gemütlichen Morgen bei Lektüre und wenig Wind. Funkkonversation mit Mike von SY Yvonne. Sie sind 100 Meilen hinter uns.
Aktuelles Etmal: 117 sm

   
Martins 66ster Geburtstag    


Tag 3 21./22. Mai 2010
Martin macht ein Nachmittagsschläfchen, ich lese. Der Wind schläft ein. Wir lassen das Grossegel oben und motorsegeln, um die Batterien zu laden und funken zu können. Da kein Wind mehr aufkommt, motoren wir mit niederen Touren die ganze Nacht. Während meiner ersten Wache ist der Himmel bedeckt, bei der zweiten sternklar. Die Nächte sind kalt. Wir haben eine Wolldecke auf unsere Daunendecke gelegt im Bett, tragen die von meiner Mutter eigenhändig gestrickten Socken auf der Wache. (Lieben Dank, Mami). Wir haben schon ziemlich Mühe, uns nachts aus dem Bett zu rappeln, sind müde, müde, müde und dabei ist es erst die dritte Nacht. Werden wohl tagsüber mehr schlafen müssen. Der Morgen verläuft ereignislos. Ab 6.25 Uhr können wir segeln.
Heutiges Etmal: 107 nm

   
Freude am Segeln    


Tag 4 22./23. Mai 2010 Pfingstsonntag
Nachmittags baumen wir die Genua auf der Backbordseite aus und segeln ganz friedlich durch den Pazifik. Die Dünung ist so regelmässig, dass ich sogar im Cockpit eine Stunde schmückeln kann, das stellt mich auf. Am Nachmittag lesen wir. Nachts muss ich auf meiner ersten Wache das Gross einziehen und mit der Genua, in die eineinhalb Reff gesteckt sind, von Hand steuern und segeln. Es erweist sich einmal mehr: ohne Wind segeln, macht keinen Spass! Als Martin aufsteht, kontrolliert er den Motor, startet ihn und wir ziehen die Genua ein und motoren niedertourig den Rest der Nacht. Knapp vor halb sieben können wir wieder segeln. Martin loggt sich per Funk beim Netz ein und erfährt von der Existenz eines Netzes für diejenigen Segler, die zu den Marquesas segeln. Er loggt auch dort ein und siehe da, Dave, der mit uns auf dem Ausflug war auf der Insel San Cristóbal, ist heute Netcontroler und auch bereits auf dem Weg zu den Marquesas. Wir stellen die Uhrzeit an Bord eine Stunde zurück und ich kann am Morgen länger liegen bleiben. Wow. Heute schmückle ich schon am Morgen. Von unserer Bananenstaude – eine halbe, die andere Hälfte ist auf Yvonne – haben wir bereits 37 Bananen genossen, drei mussten wir wegschmeissen und es bleiben uns noch ein gutes Dutzend. So guet.
Etmal: 98nm

   
Vitamine für unterwegs    


Tag 5 23./24. Mai 2010 Pfingstmontag
Wir geniessen den Nachmittag. Leider schläft der Wind ein und wir müssen erneut motoren. Auch das Fischen ist – trotz Köder mit Stahlvorfach – seit drei Tagen nichts als tote Hose. Es muss Fische haben, denn wir kommen bereits zum dritten Mal an Fischerbojen vorbei. Zudem sehen wir einige Fische in die Luft springen gegen Abend. Wir essen das letzte Stück unserer feinen Salami. Beim Nachtessen sehen wir gleich zwei Schiffe. Beide in vernünftigem Abstand, so dass wir nichts unternehmen müssen. Als ich nach dem Nachtessen den Köder einholen will für die Nacht, kommt nur noch Silch. Sooo ein Pech. Hoffentlich geht es uns nicht wie unseren französischen Freunden, die auf der Strecke Galapagos– Marquesas sieben Köder eingebüsst und keinen einzigen Fisch gefangen haben... Wir motoren durch die Nacht. Als ich mich am Morgen nochmals hinlege, ruft mich Martin: ein Walfisch. Einerseits schade, dass er relativ weit vom Boot weg ist, andererseits bin ich auch froh, denn er ist recht riesig. Ab 11. 00 Uhr können wir segeln. Martin misst den Dieselstand und stellt fest, dass wir bei 1’000 Touren pro Stunde weniger als 1,2 Liter Diesel verbrauchen. Allerdings reicht er auch so nicht bis zu den Marquesas.
Heutiges Etmal: 76 nm

   
Unser Bordgecko von den Galapagos    


Tag 6 24./25. Mai 2010
Ich lege mich nach dem Mittagessen etwas hin. Martin liest in der Seemannschaft. Wir sehen wieder Fischerbojen. Abends um 18.00 Uhr herrscht absolute Windstille. Wir werfen den Motor an und fahren durch ein ölig–schwarzes Meer bei hellstem Mondschein. Kurz vor elf Uhr kommen wir an einem Fischerboot vorbei. Erst in meiner zweiten Wache geht der Mond unter und die Sterne kommen im vollen Glanz zum Vorschein. Morgens um sechs Uhr können wir den Motor abschalten und wieder segeln. Zum Glück. Kann zwischen sechs und neun am Morgen nicht schlafen, erst muss ich mailen, danach funkt Martin und ich komme nicht zur Ruhe. Dafür kann ich kurz vor Mittag eine Stunde an meiner Silberhalskette arbeiten. Martin macht ein Schläfchen.
Aktuelles Etmal: 73 nm

   
Wenig Wind und keine Wellen    


Tag 7 25./26. Mai 2010
Eine Woche sind wir unterwegs. Wir segeln am Nachmittag friedlich mit wenig Wind und kleiner Geschwindigkeit. Als die Sonne untergeht, erstrahlt das Meer lila, der Himmel ist türkis, gelb und orange. Ein Bild, das ich nicht so schnell vergessen werde. Wir motoren in die Nacht. In der nächtlichen Kühle sind unsere gestrickten Mützen aus Peru mit den Ohrenklappen echt nützlich. Um 23.00 Uhr kann ich das Gross und die Genua setzen und segeln. Als Martin aufwacht, nimmt der Wind zu, er lässt zusätzlich die Fock raus und nimmt den Windpiloten in Betrieb. Segeln!!! Der Mond ist fast voll und erhellt die Umgebung. Ich sehe ein Fischerboot auf der zweiten Wache. Um 5.15 sehe ich das Fahrtlicht von Yvonne. Richtig, am Morgen haben wir Kontakt mit ihnen über den VHF. Langsam überholen sie uns. Ich schmückle und Martin schreibt Mails, loggt sich beim Puddle Jump Net ein. Wir essen Sauerkraut und Würstli aus der Büchse, dazu Gschwellti.
Heutiges Etmal: 81 nm

   
Farbenpracht    


Tag 8 26./27. Mai 2010
Nach meinem Nachmittagsschläfchen hat es keinen Wind mehr. Wir motoren. Einmal mehr. Seufz. Nachts ist die See ölig–schwarz, fast unbewegt. Martin kann auf seiner zweiten Wache das Gross und die Genua setzen, steuern tut der Autopilot. Nach sechs Uhr in der Früh hat es genug Wind, um auch die Fock zu setzen und den Windpiloten steuern zu lassen. Gut so. Martin macht sein Morgenschläfchen und ich arbeite an meiner Silberkette weiter. Wir essen einen Cous–Cous Salat am Mittag.
Aktuelles Etmal: 79 nm

   
Schmückeln    


Tag 9 27./28. Mai 2010
Am Nachmittag haben wir wenig Wind. Der Autopilot muss das Steuern übernehmen. Wir bleiben südlich des Äquators. Ich flicke Martins Jeans von Hand. Die erste Nacht, in der wir Wind haben. Jupiiii! Zwischendurch bricht er manchmal etwas ein. Am schlimmsten bei Martins Wache zwischen sechs und neun Uhr morgens. Wir segeln noch mit 0.1 Knoten.... Martin tüftelt mit den Segeln und rettet uns vor dem Motoren. Am Morgen funken mit Mike und dann mit dem Netz. Alle sind munter und wohlauf. Wir nehmen ein gemütliches Morgenessen, lesen im Cockpit. Gegen zehn Uhr legt der Wind zu und wir segeln mit fünf Knoten. Das ist Musik.
Etmal – das erste Mal ohne Motorenunterstützung: 66 nm

   
Tägliche Funkrunde    


Tag 10 28./29. Mai 2010
Bevor ich mich zum Nachmittagsnickerchen hinlege, mache ich einen Brotteig. Martin formt den Laib und legt ihn in den Backofen. Wir lesen im Cockpit. Zum Abendessen gibt es einen Pilzrisotto mit Artischockenherzen. Wir haben eine mondhelle Nacht mit bewegter See und kommen vernünftig vorwärts. Keine anderen Schiffe in Sicht. Am Morgen wie üblich das Funknetz und die Unterhaltung über Funk von Martin und Mike. Danach Morgenessen mit frischem Brot, ein besonderes Vergnügen. Ich wasche meine Haare mit Salzwasser, ganz am Schluss spült Martin sie mir mit etwas Süsswasser. Martin macht ein Morgenschläfchen.
Heutiges Etmal: 90 nm (alles gesegelt)

   
Pilzrisotto   Vollmond  


Tag 11 29./30. Mai 2010
Als wir beim Kaffee sitzen, sieht Martin, wie der Silch von der Angelrute rausläuft: Fischalarm. Wir können die Spule im letzten Moment stoppen, ansonsten hätten wir den ganzen Silch verloren.... Wir ziehen den Köder ein, merken bald, dass sich der Fisch wohl nicht im Angel verfangen hat. Schade! Wir ziehen alles ein. Der Köder ist intakt und wird wieder ins Wasser geschmissen. Ich mache ein Nachmittagsschläfchen, Martin liest. Nach dem Funknetz am Abend essen wir unsere erste selbstgemachte Hühnerkonserve mit Quinoa und einem Rest vom Dahl vom Mittag. Mundet uns. Wir schauen zu, wie der Mond orangefarben aus den Fluten steigt und sich gen Himmel bewegt. Meine erste Wache ist sternenklar und mondhell. Als Martin übernimmt, bedeckt sich der Himmel und er erwischt ein paar Squalls, so dass er in die Genua ein Reff steckt. Während meiner zweiten Wache klart der Himmel wieder auf. Wir kommen flott voran. Ich lade kurz nach fünf Uhr morgens die beiden Wetterfaxe runter, maile. Martin steht auf. Wir kommen echt gut voran, was uns von Herzen freut. Hängen einen anderen Köder an die Leine, vielleicht bringt uns das einen frischen Fisch auf den Tisch.
Unser heutiges Etmal, alles unter Segel: 102 nm

   
Abendstimmung    


Tag 12 30./31. Mai 2010
Wir verbringen einen gemütlichen Sonntag und kommen zügig voran. Die Fahrt über Grund ist mehr als sechs Knoten im Durchschnitt, da eine zügige Westströmung – der Süd–Äquatorialstrom – uns nach Westen trägt. Genial! Als wir am Abendessen sitzen, realisiert Martin, dass wir einen Fisch an der Angel haben. Während dem er das Essen und Geschirr runterräumt, fange ich an, den Fisch einzuziehen. Während ich am Einrollen bin, wird mir bewusst, dass sich der Fisch vermutlich verabschiedet hat. Tatsächlich, ich kann nur noch den Köder bergen. Immerhin haben wir den noch. Wir verstauen ihn, da wir nachts nicht fischen. Auch in der Nacht lässt die rassige Fahrt nicht nach. Am Morgen stecken wir ein Reff ins Gross, um die Krängung zu mindern, die Geschwindigkeit bleibt die gleiche. Suleika geht ab wie der Pfeil.
Unser heutiges Spitzenetmal: 143 nm.
Was für eine Freude.

   
Wir gehen ruhig voran    


Tag 13 31. Mai / 1. Juni 2010
Nach dem Kartoffelsalat am Mittag pflügt sich Suleika immer noch rasant durch die herrschende Kreuzsee. Die Wellen, die aus verschiedenen Richtungen aufeinanderprallen, sich von Zeit zu Zeit aufbäumen, machen das Bewegen im Schiff schwierig und ungemütlich. Heute Morgen haben wir die letzte Orange in Form eines frisch gepressten Safts genossen, jetzt muss ich leider zwei Drittel unseres letzten Kabis weg schmeissen, weil er verfault ist. Echt schade. Obwohl wir schon seit längerem weit weg von jeglichem Land sind, sehen wir täglich Vögel: Petrells sind immer da, manchmal auch nachts, und ab und an kommt ein Tölpel vorbei. Zweimal sahen wir einen schönen, feineren Vogel, schlank und weiss, der uns nicht bekannt ist. Die Nachtwache verläuft in der ersten Schicht sowohl bei Martin als auch bei mir ereignislos. Als ich in der zweiten Schicht daran denke, ins Schiffsinnere zu gehen und die Wetterfaxe herunter zu laden, schlägt unser Radardetektor MerVeille Alarm. Martin ist sofort wach, ich entdecke vier Lichter backbord voraus. Tja, da wir so viele Nächte niemanden mehr getroffen haben, vernachlässigten wir beide das viertelstündliche Aufstehen und Rundumblicken, was sich jetzt rächt. Martin kommt ins Cockpit, während dem ich mit dem Windpiloten anluve, trimmt er die Segel entsprechend. Wir machen einen grossen Bogen um dieses Fischerboot, da wir nicht wissen, ob es ein Netz hinterher schleppt oder nicht. Als wir klar sind, gehen wir wieder auf unseren ursprünglichen Kurs. Martin legt sich nochmals hin, ich maile. Ich stelle fest, dass unser Raymarine Tridata nicht über 1’000 Meilen anzeigt. So stellen wir es wieder auf Null und beginnen von vorn ;–). Ich mache noch ein Morgenschläfchen bis zur Funkrunde. Dann gibt es ein Zmorge. Danach heisst es Brot backen. Wir hängen im Cockpit und lesen. Martin legt sich nochmals aufs Ohr vor dem Mittagessen.
Unser heutiges Etmal: 135 nm

   
Sonnenuntergang    


Tag 14 1./2. Juni 2010
Nach meinem Nachmittagsschläfchen setze ich mich zu Martin ins Cockpit. Wir lesen. Auch heute will kein Fisch anbeissen. Nachts stellt Martin die Borduhr um eine Stunde zurück, ebenso den Wecker. So komme ich zu fast vier Stunden ununterbrochenen Schlafs, ein Geschenk, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Wir sind jetzt zehn Stunden hinter der Zeit in Zürich. Die Nacht verläuft ereignislos. Wir haben wenig Wind, fahren zeitweise mit nur einem bis zwei Knoten durchs Wasser. Zum Glück hilft uns die Strömung. Am Morgen regnet es. Danach kommt Wind auf. Suleika nimmt ihre Sausefahrt wieder auf. Martin legt sich am Morgen hin.
Aktuelles Etmal: 108 nm


Tag 15 2./3. Juni Fronleichnam
Ich lege mich für ein stündiges Schläfchen hin. Als Martin mich so selig schlafen sieht, verzichtet er auf die Funkrunde, so dass ich nicht erwache und zweieinhalb Stunden am Stück schlafe. Bin echt verwirrt, als ich erwache und es bereits einnachtet. Dafür fühle ich mich herrlich erholt. Das Licht reicht gerade noch, um auf dem Vorschiff die Backbordschot der Fock neu zu befestigen, die sich bereits zum zweiten Mal gelöst hat. Ich ziehe den Palstek so fest an wie möglich. Wir werfen den Motor an, um die Batterien zu laden. Doch nach knappen zwei Minuten stellt er von selbst ab. Diesem Problem werden wir uns morgen bei Tageslicht annehmen.... Der Nachthimmel ist bedeckt. Es ist finster. Wir sehen keine anderen Schiffe. Kommen zügig voran. Haben immer noch ein Reff im Gross und zwei Reffs in der Genua. Suleika hält so getrimmt den gewünschten Kurs. Auch am Morgen kommen wir tüchtig vorwärts. Das Funknetz dauert heute ziemlich lange. Wir hören, wie Mike sich anmeldet bei der Funkrunde. Danach prüfen wir den Motor. Können nichts Krummes feststellen. So nehmen wir ihn erneut in Betrieb und siehe da, er läuft wie am Schnürchen. Umso besser. Wir lassen ihn zwei Stunden laufen, um die Batterien zu laden. Das Ausrechnen des heutigen Etmals ist erfreulich: wir haben die grössere Hälfte (mein Mathematiklehrer sagte immer, das sei etwas, was es nicht gäbe, die grössere Hälfte..) der Strecke hinter uns. Judihui!!! Um präzis zu sein: wir sind bereits 1’514 nautische Meilen gesegelt und haben noch 1’450 nautische Meilen vor uns.
Etmal: 136 nm


Tag 16 3./4. Juni 2010
Nachmittags hat es immer noch drei Meter hohe Wellen ein bisschen aus allen Richtungen, die sich auch akkumulieren und als hohe Berge unter Suleika durchgehen. Wir machen beide nacheinander ein Nachmittagsnickerchen. Wir merken, dass unser Tridata nicht gescheit läuft. Die Geschwindigkeit stimmt überhaupt nicht mehr. So notieren wir künftig im Logbuch die Geschwindigkeit und den Logstand, welche das GPS anzeigt. Der Süd–Äquatorialstrom leistet immer noch einen schönen Beitrag zum Vorwärtskommen. Am Morgen haben sich die Wellen etwas beruhigt und wir geniessen das auf unserem Weg nach Westen.
Aktuelles Etmal: 141 nm

   
Fischerboot bei Wellengang    


Tag 17 4./5. Juni 2010
Um 12.40 Uhr fangen wir einen Mahi Mahi (Goldmakrele). Gerade richtig in der Grösse. Er wiegt 1,2 kg und ist 62 cm lang. Wir häuten und filetieren ihn. Essen ein paar Möckli roh mit Salz und Limonensaft. Da uns das so gut schmeckt, beschliessen wir, beide Filets auch roh zu essen und trinken je ein Bier dazu. Unsere Körper reagieren nicht gut auf diese Kost. Jeder auf seine eigene Weise. Wir verschonen euch mit den Details. Tatsache ist, wir sind noch etwas schlapp, doch auf dem aufsteigenden Ast. Nachts spannt sich ein traumhafter Sternenhimmel über Suleika. Wir können die Wetterfaxe problemlos runterladen. Am Samstagmorgen leben wir normale Bordroutine. Das einzige Neue: Magenschonkost. Selber schuld!
Heutiges Etmal: 130 nm

   
Unser erster Fisch, ein Mahi–Mahi – 1,2 kg und 62 cm    


Tag 18 5./6. Juni 2010
Da der Wind und die Wellen nachgelassen haben, baumen wir die Genua aus. Nach kurzer Zeit stellt Martin fest, dass das Genuaschot am Spibaum ausgefädelt ist. Der Mechanismus, der verstopft war, haben wir so gründlich mit WD40 behandelt, dass er nun lödelet... Ich gehe nach vorn und fixiere das Ganze provisorisch mit einem Schnürchen. Dies hält, bis der Tag zu Ende geht und wir die ausgebaumte Genua wieder einholen und normal fahren. Abends essen wir eine feine Rösti mit den letzten beiden Spiegeleiern dazu. Heute haben wir am Funknetz erfahren, dass ein extrem starkes Hoch im Südpazifik für die unruhige Wellenlage verantwortlich ist. Im Gegensatz zur Nordhalbkugel, wo die Tiefs wetterbestimmend sind, machen auf der Südhalbkugel die Hochdruckgebiete das Wetter aus.
Die Nacht verläuft friedlich. Der einzige Nachteil unseres Biminis – das wir beide tagsüber enorm schätzen, da es uns Schatten spendet – ist die Unmöglichkeit, sich während der Nachtwache wie früher auf den Rücken zu legen und einen ungehinderten Blick in den wunderschönen Sternenhimmel zu geniessen. Das ist schade. Während der Nachtfahrt kommen wir mehr Richtung Süden, als wir das wünschen. So trimmen wir die Segel neu bei Tagesanbruch. Die See ist am Morgen deutlich ruhiger und ich kann schmückeln im Cockpit, während dem Martin liest.
Etmal: 111 nm

   
Ausbaumen    


Tag 19 6./7. Juni 2010
Am Nachmittag ziehen ein paar Squalls vorbei. Danach haben wir das schönste, sonnigste Wetter, das wir uns wünschen können. Martin erkundigt sich bei der abendlichen Funkrunde, was "Puddle Jump" – so ihr Name – eigentlich bedeutet. Glungge–Gump. Echt poetisch. So sind wir also dabei, die pazifische Pfütze zu überspringen. Als ich zur zweiten Nachtwache aufstehe, hängt der Mond als feine Sichel am Himmel und wirft sein Licht aufs Meer. Diese Nacht essen wir die letzten Guetsli mit Honig, welche uns an Willisauer Ringli erinnern. Letztere werden wir das nächste Mal, wenn wir in der Schweiz sind, essen! Am Morgen ist der Himmel bewölkt, Squalls ziehen vorbei und Suleika drängt nach Süden. Wir trimmen so gut es geht in nördlicher Richtung. Als Martin sich für sein Vormittagsschläfchen hinlegt, schläft der Wind auch gleich ein und erwacht erst wieder, als der Kapitän wieder aufsteht. Das ist echte Verbundenheit.
Wenn wir alle Etmal aufaddieren, haben wir bereits 2’019 Seemeilen zurücklegt. Vor uns liegen noch 945 Seemeilen. Wenn die Etmale so bleiben wie in den letzten Tagen, werden wir das in neun Tagen schaffen. Wow!
Aktuelles Etmal: 124 nm

   
Unermüdliche Windfahnensteuerung    


Tag 20 7./8. Juni 2010
Heute ist ein Glückstag, wo lauter neue Sachen passieren. Ich entdecke einen Vogelschwarm, den ersten, seit wir die Galapagos verlassen haben und gleich darunter tummeln sich Delfine. Sie kommen in die Nähe von Suleika, springen zu zweit und zu dritt aus den Wellen. Wie die springen können! Eine wahre Freude. Noch während dem Morgenessen müssen wir unseren Köder einziehen, weil sich ein Tölpel für ihn interessiert. Wir lassen ihn später wieder raus. Als ich mich nachmittags etwas hinlege, ruft mich Martin ins Cockpit: ein farbenprächtiger Regenbogen spannt sich über den Himmel. Dies alles geschieht, während dem Suleika zügig durch die Wellen zieht. Der Sonnenuntergang verschwindet leider in den Wolken. Wir haben eine prächtige Rauschefahrt durch die Nacht. Als ich zur zweiten Wache aufstehe, löst sich die feine Mondsichel vom Horizont ab, durchquert ein erstes Wolkenband, wird glasklar sichtbar, verschwindet wieder hinter Wolken und schwingt sich zum Himmel empor. Suleikas zügiges Tempo hält an bis Mittag und mündet in ihr Rekordetmal.
Rekordetmal: 151 nm – toll

   
Stimmungsvoll    


Tag 21 8:/9. Juni 2010
Wir backen gemeinsam ein Brot. D.h. ich mache den Teig vor meinem Nachmittagsnickerchen und Martin formt das Brot und schiebt es in den Ofen. Er macht viel die schöneren Laibe als ich ;–). Nachmittags beisst ein Fisch an! Er wehrt sich von Anfang an heftig gegen seine Gefangenschaft. Als wir ihn nah beim Schiff haben, sehen wir, dass es wieder ein Mahi–Mahi (Goldmakrele) ist, diesmal ein grösserer als das letzte Mal. Als ich ihn raufziehe, holt er – bereits in senkrechter Lage – zu seinem Befreiungsschlag aus: er peitscht seinen Schwanz auf die Wasseroberfläche, stösst ab, löst sich vom Haken und sucht das Weite. Ich mag ihm die wieder gewonnene Freiheit von Herzen gönnen. Obwohl es schade ist für unseren Menuplan. Wieder stellen wir die Borduhr um eine Stunde zurück. Wir gehen jetzt elf Stunden hinter der Schweizerzeit her. Grosszügigerweise schenkt mir Martin auch diese Stunde. So kann ich zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens fast vier Stunden schlafen. Das ist sooo erquicklich. Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Während Martin sich am Morgen an der Funkrunde beteiligt, sichte ich ein Schiff am Horizont. Unser Radardetektor sieht nichts. Das AIS erkennt ein Fischerboot. Wir werden seinen Kurs nicht kreuzen. Um neun Uhr morgens baumen wir die Genua aus. So machen wir zwischen fünf und sechs Knoten über Grund, die Wellen sausen von hinten unter Suleika durch.
Aktuelles Etmal: 132 nm

   
Schmetterling segeln    


Tag 22 9./10. Juni 2010
Heute passieren Dinge, mit denen wir nie gerechnet hätten. Als ich auf meiner ersten Nachtwache bin – draussen herrscht stockfinstere Nacht, da bald Neumond ist und die schmale Sichel erst gegen vier Uhr in der Früh aufgehen wird – kommt Martin um 23.15 Uhr aus dem Bett und meldet mir, es sei etwas aufs Vordeck runtergefallen. Er setzt sich ins Cockpit, ich gehe gesichert und mit Taschenlampe bewaffnet nach vorn zum Mast. Tatsächlich finde ich eine Unterlagsscheibe und einen metallenen Bolzen von ca. 10 cm Länge. Ich reiche die Dinge Martin ins Cockpit. Leuchte die Mastumgebung ab und finde eine zweite Unterlagsscheibe und einen Teil eines Splints. Der Baum hat sich aus seiner Fixierung am Mast gelöst, weil der Splint gebrochen ist. Martin gibt mir eine Leine und ich binde den Baum am Mast fest. Das muss reichen für die Nacht. Eine ernsthafte Reparatur kommt erst bei Tageslicht in Frage. Als ich morgens meinen letzten Schlaf einziehe, sagt mir Martin, es käme ein Regenguss, der sich zum Duschen eignen würde, aber ich bin viel zu müde und verschlafen um aufzustehen. Nach dem Morgenessen gehen wir beide zum Mast nach vorn, sichern uns am Mastkorb und reparieren den Defekt von letzter Nacht. Es gelingt und wir sind froh und glücklich, geniessen Rösti, Sauerkraut und Wienerli zum Mittagessen.
Heutiges Etmal: 121 nm

   
Reparatur des Baumlagers    


Tag 23 10./11. Juni 2010
Nachmittags beisst ein Fisch an, lässt den Köder wieder los, verfolgt den Köder, als ich ihn zur Kontrolle einziehen will, beisst erneut an, befreit sich wieder und wir bleiben ohne frischen Fisch in unseren Tellern. Schade. Während Martin heute ausnahmsweise am frühen Nachmittag ein Nickerchen macht, nähe ich ein paar Hemdenknöpfe an unsere Cockpitkissen, da die Knöpfe, die wir in Guatemala gekauft haben, von kurzer Lebensdauer sind. Wir schmausen eine Büchse Ananas zum Zvieri. Als Abendessen gibt es Basmatireis mit schwarzem Bohnenmus. Auf meiner ersten Nachtwache entdecke ich kurz nach 23.00 Uhr ein Licht am Horizont. Gehe runter und stelle das AIS ein. Das geniale Instrument zeigt mir innert Kürze, dass der Frachter uns nicht gefährlich wird und ich kann seinen Weg ruhig vom Cockpit aus verfolgen. Er ist noch in Sicht, als Martin aufsteht. Der Rest der Nacht verläuft ereignislos. In der zweiten Hälfte strahlt ein wunderschöner Sternenhimmel. Am Morgen schütteln wir die Reffs in Gross und Genua aus und machen so doch noch einen Schnitt von über fünf Knoten, obwohl uns nur noch wenig Strömung hilft.
Aktuelles Etmal: 115 nm


Tag 24 11./12. Juni 2010
Wieder mal Backtag. Ich mache den Teig, Martin das Brot während meines Nachmittagsschlafs. Wir essen Ravioli von Hero zum Znacht, so fein. Während des Essens tauchen zwei Schiffe am Horizont auf. Die gehören Martin, ich gehe schlafen. Später erscheint noch ein weiteres Fischerboot, das 600 Meter an uns vorbei fährt. Da hilft das AIS enorm zu entscheiden, ob was zu tun ist oder nicht. Am Morgen ist die See ruhig und wir haben ganz wenig Wind. Wir schütteln das Reff aus dem Gross aus. Womit der Wind nicht lange auf sich warten lässt und wir das Reff erneut stecken. Die See ist erneut ruppig. Wie jeden Morgen wische ich das Cockpit und wundere mich, dass ich Tage, ja Wochen seit dem letzten Landkontakt immer noch Sand zusammen wische. Wo Suleika den bloss hernimmt? Heute wasche ich wieder mal die Haare mit Salzwasser.
Etmal: 109 nm


Tag 25 12./13. Juni 2010
Vor dem Abendessen baumen wir die Genua aus, genau vor dem Wind wird Suleika etwas langsamer. Heute gibt es die letzten Bratkartoffeln. Danach haben wir keine Kartoffeln mehr an Bord. Die Nacht verläuft friedlich. Martin sieht auf seiner Wache ein Fischerboot am Horizont, das auch mich noch auf der Wache begleitet, uns aber nicht in die Nähe kommt. Am Morgen weckt mich unser Radardetektor mit seinem Alarm, kurz darauf schlägt auch das AIS Alarm. Ein Fischerboot mit Kurs auf uns – allerdings in dezentem Abstand – wird angezeigt. Während dem wir friedlich am Morgenessen sind – selbstgebackenes Brot mit Dulce de Leche als Brotaufstrich – beisst ein Fisch an. Ich stürze mich auf die Fischerrute, beginne, den Fisch einzuziehen, merke aber bald, dass der nicht mehr am Angel hängt. Auch diesmal bleibt uns der Köder erhalten. Langsam kennen wir dieses Spiel und würden die Variante mit einem Fisch an der Angel, der auch bleibt, bis wir ihn ins Cockpit gezogen haben, vorziehen.... Der Wind hat nachgelassen. Ich schmückle, merke aber bald, dass die See zu unruhig ist. Habe immer Angst, mein Werkzeug könnte durchs Cockpit fliegen und gebe daher das Arbeiten bald wieder auf, wende mich der Lektüre zu. Wir sitzen beide im Cockpit und hören Schnaufen, schauen uns um. Tatsächlich schwimmen fünf grosse, braune Delfine um Suleika rum. Sie sind ca. drei Meter lang, häufiger unter– als oberhalb des Wassers, bleiben einen Moment bei uns und suchen dann wieder das Weite.
Heutiges Etmal: 91 nm

   
Besuch von Delfinen    


Tag 26 13./14. Juni 2010
Wir segeln die ganze Zeit mit ausgebaumter Genua und kommen gemütlich voran. Die See ist nach wie vor bewegt. Als Martin seine erste Wache in Angriff nimmt, geht die feine Mondsichel eben unter am Horizont. Wir sehen diese Nacht keine Schiffe, geniessen das wunderschöne Sternenzelt über uns. Nach der Puddle Jump Funkrunde ruft Martin Ocean Pearl über VHF an, da dieses Schiff in unsere Nähe ist. Er hält einen Schwatz mit Danny aus Neuseeland. Nach dem Morgenessen beisst ein Fisch an. Ich habe heute einen grösseren Köder rausgehängt. Der Mahi Mahi, den wir reinziehen, ist knapp grösser als der Köder. Der arme Kerl! Er ist 36 cm lang und 1 Pfund schwer. Aber die Freude, die er uns macht, ist unbeschreiblich. Wir filetieren ihn, Martin isst ein paar Bissen roh, ich verzichte darauf und freue mich aufs Mittagessen, wenn es die Filets gebraten geben wird. Hängen den Köder gleich wieder raus. Man weiss ja nie... Ich lese das Buch "Sailing alone around the world" von Joshua Slocum. Als er sich den Marquesas näherte – er war bereits 43 Tage auf dem Wasser – beschloss er, gleich nach Samoa durchzuziehen, so dass seine Reise 72 Tage dauerte. Zum Glück haben wir nicht dieselben Pläne wie er ;–). Wir gehen davon aus, dass wir am Mittwoch in Fatu Hiva eintreffen.
Aktuelles Etmal: 88 nm

   
Klein, aber mein    


Tag 27 14./15. Juni 2010
Die gebratenen Mahi Mahi Filets mundeten uns vorzüglich ;–). Nachmittags backen wir ein Brot. Martin hat vor dem Netz Funkkontakt mit Mike von SY Yvonne. Wir laden, einmal mehr, den Computer an unserer Bordbatterie auf. Leider beisst für das Abendessen kein Fisch mehr an, so dass wir Polenta mit Gehacktem aus der Dose essen. Die Nacht ist sternenklar in der ersten Hälfte. Martin sieht noch die feine Mondsichel – der ganze Mond hebt sich fein vom Horizont ab – und Venus gleich daneben. Ein schönes Bild, das ich mit nehme für meinen ersten Schlaf. In meiner zweiten Wache erwacht die See und wird ruppig. Der Wind legt zu und wir kommen flotter voran, als wir gedacht hätten. Nach einem gemütlichen Morgen mit Lektüre und Geplauder im Cockpit können wir ein schönes Etmal von 95 nm vermelden und noch viel besser: nur noch 52 nm bis zur Nordspitze von Fatu Hiva! Das bedeutet, dass wir dort mitten in der Nacht ankämen. D.h. wir werden, wenn wir in der Nähe sind, Suleika bremsen, so dass wir am Morgen bei Tageslicht in die Ankerbucht einfahren können. Vor Fatu Hiva ragt ein Felsen aus dem Meer, dem es auszuweichen gilt.
Etmal: 95 nm

   
Letzte Nacht vor dem Landfall    


Tag 28 15./16. Juni 2010 – Letzter Tag
Kurz vor Sonnenuntergang kommt Land in Sicht! Ein hehres Gefühl. Wir brausen durch die sternenklare Nacht. Fatu Hiva ist nicht mehr zu erkennen, als der Mond untergegangen ist. Zum Glück haben wir den Chartplotter. Wir halten unsere üblichen Nachtwachen nicht ein. Erstens sind wir zu aufgeregt, zweitens müssen wir den Felsen im Norden der Insel umfahren, wozu wir nachts zwei Mal halsen. Um vier Uhr morgens zeichnet sich ganz fein der Ort ab, wo die Sonne aufgehen wird und ab fünf Uhr können wir die Umrisse von Fatu Hiva erkennen. Wir nähern uns gemütlich dem Ankerplatz. Vier Meilen davor kontrollieren wir den Motor, holen die Segel ein und motoren zu unserem Ziel. Penny und Mike auf Yvonne begrüssen uns voller Freude. Als wir unseren Ankerplatz aussuchen, giesst es in Strömen. Kaum hängen wir am Nagel, grüsst uns ein Regenbogen. Die Bucht hat ihren ganz eigenen Charme. Auf der linken Seite ragen bizarr geformte Felsfinger in die Höhe. Ursprünglich hiess diese Bucht – auf Polynesisch Hana Vave – auf Französisch "La Baie des Verges". Verge bedeutet männliches Glied. Das war den Missionaren zu deutlich, also fügten sie ein "i" ein und nannten die Bucht "La Baie des Vierges". So einfach – und so bekloppt – macht man aus Phalli Jungfrauen. Daher habe ich für unseren Standort den polynesischen Namen gewählt, dessen Bedeutung ich nicht kenne.
Letztes Etmal: 54 nm
Total zurück gelegt zwischen Galapagos und Marquesas: 3’044 nm

   
Fatu Hiva   Hanavave, Fatu Hiva   Ein Regenbogen heisst uns willkommen