Logbuch
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Guatemala und Honduras
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Sonntag 1. Februar – Sonntag, 15. Februar 2009

Am Sonntag geht es in aller Frühe trotz strömenden Regens los per Dingi nach La Fronteras. Jonny ist im Geschäft und hat das richtige Ersatzteil. Grosse Erleichterung macht sich breit. Allerdings verlangt er auch seinen Preis dafür: wir bezahlen mehr als das dreieinhalbfache des Listenpreises für unser Rückschlagventil… Was soll’s? Wir sind froh und glücklich, damit unsere Sicherheit wieder herstellen zu können. Wir machen noch die letzten Einkäufe und fahren zurück auf Suleika. Als ich im Schiff am Werkeln bin, bringt Trudy noch ein Geschenk für ihre Freundin in Sirnach vorbei. Tja, dieses Päcklein wird uns ein paar Monate begleiten, bevor es seine Destination in der Schweiz erreichen wird. Martin setzt das Rückschlagventil ein und die Handbilgenpumpe funktioniert wieder wie eine Neue. Gratulation! Abends funktioniert zu meiner grossen Erleichterung auch das Wifi wieder problemlos.

   
Kunstwerk der Natur   Rückschlagventil – neu und alt  

Montagmorgen in aller Frühe verlassen die Schiffe Rock’n Roll, Adrienne Marie und Sea Dragon die El Tortugal Marina. Grosse Aufbruchstimmung macht sich breit. Leider ist Jefe weit und breit nicht zu sehen, so dass ich auf mein geplantes letztes Bild von ihm verzichten muss. Sniff! Wir bereiten Suleika auf die Abreise vor. Wäsche bezahlen, Kabel und Wasserschlauch gründlich schrubben und los geht es kurz vor drei Uhr nachmittags.

   
Fleissige Waschfrauen unter der Brücke, La Fronteras    

Wir machen einen Halt an der Tankstelle, füllen den Tank sowie sämtliche Kanister und rösten mit tausend neunhundert bis zweitausend Touren den Rio Dulce runter, um noch vor Sonnenuntergang in der Texan Bay den Anker fallen lassen zu können. Unterwegs üben wir einmal mehr, Vögel im Flug zu fotografieren, so dass sie auch scharf sind. Nicht ganz einfach. Wir kommen rechtzeitig an, um bei Tageslicht unseren Ankerplatz auszusuchen. Nach einem Guacamole und einem Bierchen fallen wir todmüde in die Koje. Wir wussten gar nicht mehr, wie ermüdend eine Seereise sein kann!

   
Kormorane, Rio Dulce   Pelikane, El Golfete  

Ein herrliches Gefühl, am Anker hängend zu erwachen, das Schiff ändert die Richtung, die Aussicht wechselt. So ganz anders, als an einem Dock zu liegen. Martin schickt unsere E–Mails raus, dichtet ein Fenster, bestellt Wetterbericht und Fax, kontrolliert den Motor. Er ist sehr stolz auf die neu eingerichtete Navigationsecke und fühlt sich jetzt dort noch wohler als bis anhin, wenn das überhaupt möglich ist. Ich arbeite am Morgen an der Königskette und nachmittags stelle ich Versuche mit einer neuen Art von Ohrringen an: Silber gezielt zufällig zusammen geschmolzen. Die ersten Resultate sind gar nicht übel. Mir fällt ein Schmuckzubehörtupperware runter und dabei bricht einem meiner Keramikdukane der Schnabel ab. Sooo schade. Abends gibt es Nudeln mit frischem Gemüse.

   
Navigationsecke – Aktueller Stand   Am Anker in der Texan Bay  

Der Mittwoch wird zu einem grauen und regnerischen Tag. Wir fangen Wasser und ich wasche meine Haare damit. Aus und vorbei, die Herrlichkeit der Dusche in El Tortugal. Macht aber so genau soviel Spass! Martin ist den ganzen Morgen am Computer beschäftigt mit mailen, Wetter, Faxe runterholen. Ich arbeite an der Königskette. Es windet den ganzen Tag, was einen angenehmen Nebeneffekt hat: wir haben keine Mücken an Bord. Genial. Wir sind zu nah am Ufer und wollen versetzen. Dabei tritt zu Tage, dass unsere Ankerwinsch nicht funktioniert. Martin kontrolliert das Sicherungsrelais und schraubt das Fusspedal auf. Warum hab ich ihn nicht vorher gefragt, ob er die Schalttafel in der Navigationsecke schon kontrolliert hat. Weil ich davon ausging, dass dies der Fall ist. Nachdem er alles auseinander genommen hat, sieht er dort noch nach und siehe da: Das Kabel ist ausgesteckt. Fehler in Nullkommanichts behoben.

   
Zutrauliche   Zaungäste   Wasserwege statt Strassen, Texan Bay


Am Donnerstag schlafen wir aus und haben – zu unserem Erstaunen – Funkkontakt mit SY Yvonne. Ihr Schiff konnte noch nicht gestrichen werden, weil es pausenlos regnet. Wir nehmen ein gemütliches Morgenessen ein, während dem wir beobachten können, wie zwei Schildkröten einen toten Baum erklimmen und sich sonnen, als der Regen aufhört und die Sonne zu scheinen beginnt. Zwei sehr schöne Tiere. Nachmittags nimmt Martin das halbe Schiff auseinander, um das gestern abmontierte Fusspedal der Ankerwinsch fachgerecht wieder zu montieren. Unsere Koje wird zur Baustelle. Doch zu guter Letzt hat er die Muttern von unten montiert und das Fusspedal funktioniert einwandfrei. Bravo. Im Verlauf des Nachmittags trifft auch Leonore of Sark in der Texan Bay ein.

   
Schildkröten sonnen sich, Texan Bay   Muttern des Fusspedals montieren  

Während des Morgenessens am Freitag beobachten wir, wie sich all die amerikanischen Segler per Lancha nach Livingston bringen lassen, um dort auszuklarieren. Wir planen, in der Texan Bay zu bleiben, bis wir die Flussfahrt bei Sonnenschein machen können. Dann runter zu fahren, in Livingston zu ankern, uns übersetzen zu lassen, ausklarieren, essen und dann ab die Post. Im Verlauf des Tages löte ich ein par Sachen, während dem Martin die neusten Ohrringe ins Schmuckbüchlein zeichnet. Ich mache neue Ohrringe und Martin studiert die französische Anleitung zu unserem Radardetektor MerVeille. Ich helfe ihm bei der Übersetzung.

   
Reiher, Rio Dulce   Seerosen , Texan Bay  

Am Samstag stehen wir zeitig auf. Es regnet. Wir fangen wieder Wasser. Ich schmückle im Cockpit. Martin programmiert neue Winlink–Stationen. Leonore of Sark verlässt mit anderen grossen Schiffen die Texanbay. Heute ist Vollmondflut, bei der auch die Schiffe mit grossem Tiefgang über die Barriere bei Livingston kommen, was zu einem Massenexodus führt. Zum Glück sind wir unabhängig vom Wasserstand mit unserem einem Meter zwanzig Tiefgang. So können wir gehen, wann wir Lust haben. Ich versinke in der Lektüre von "Pride and Prejudice" von Jane Austen. Ich habe bereits zwei Verfilmungen davon gesehen, mir das Original aber noch nie zu Gemüte geführt. Faszinierend, dass ein Buch, das vor mehr als zweihundert Jahren geschrieben worden ist, immer noch so spannend zu lesen ist.

Gemütlicher Sonntagmorgen bei Regenwetter. Gegen Mittag rufen wir die Marina an, dass wir gegen zwei Uhr nachmittags gern ans Dock kämen, da wir Lust auf einen Hamburger zum Znacht haben. Erwin hat uns diese Hamburger ganz warm empfohlen. Wir machen fest und erkunden die Texan Bay Marina. Auch hier ist die Marina sehr gepflegt in die sie umgebende Natur eingebettet. Die Dekorationen gehen von einem Brunnen mit einem Rodeoreiter, über einen Tierschädel, beklebt mit lauter Spiegelmosaiken zu einem Buddha. Ganz eigen, aber mit sicherer Hand gewählt. Als wir im Restaurant eintreffen, sitzt dort Nancy. Wir freuen uns riesig, sie zu sehen und kondolieren ihr zum Verlust ihres Mannes Dan. Wir unterhalten uns zu dritt sehr angeregt. Sie segelt im Moment mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn. Die Leute, die hier in der Texan Bay ausharren, sind ein ziemlich verkifftes Völkchen.

   
Vermooster Buddha, Texan Bay   Suleika in der Texan Bay Marina  

Zwar regnet es am Montagmorgen, doch sind wir zum Schluss gekommen, dass wir den Rio Dulce hinter uns bringen, mit oder ohne Sonne! Kaum startet Martin den Motor, sind auch schon Helfer da, um unsere Leinen zu lösen. Ich kann nicht mal mehr das Morgengeschirr fertig abwaschen. So was!!! Wir fahren den Fluss bei strömenden Regen runter. Üben uns einmal mehr in Vogelfotos: hoffnungslos bei dieser Witterung. Als wir in Livingston den Fluss verlassen, lacht dort bereits die Sonne.

   
Schlucht des   Rio Dulce bei Regen  

Wir fahren per Lancha ans Ufer, erledigen die Formalitäten und geniessen nochmals ein feines Mittagessen im Restaurant, bevor wir über die Barriere setzen (bei Niederwasser) und Richtung Cabo Tres Puntas motoren. Der Ankerplatz in Tres Puntas gefällt uns gut.

   
Mittagspause in Livingston   Warten auf Fischer, Livingston   Cabo Tres Puntas


Am Dienstag ist um fünf Uhr Tagwache, da wir bei Tagesanbruch loslegen wollen. Wir kämpfen uns zu Beginn durch jede Menge Fischernetze am Cabo, doch dann lacht das weite Meer. Wir können motorsegeln. Später sogar richtiges Segeln ohne Motorengeräusch. Immer noch etwas vom Schönsten, das es gibt. Wir kommen am späteren Nachmittag in Puerto Cortés an und ankern in der Nähe eines eindrücklichen Wracks eines Frachtschiffes, das heute von der Jugend zum Springen und von den älteren zum Fischen bestiegen wird. Ein Vergnügunspark sozusagen. Die Hügelzüge von Honduras im Abendlicht sind ein wunderschöner Anblick.

   
Wrack in   Puerto Cortés, Honduras  

Tagwache um vier Uhr dreissig am Mittwoch. Kurz nach sechs Uhr motoren wir los. Die See ist leicht bewegt, die Sonne knallt vom Himmel. Leider haben wir den Wind auf die Nase. Nix mit segeln. Wir motoren die ganze Strecke. Wir kommen am Nachmittag in Puerto Escondido an. Aufgrund des im Führer angegebenen Wegpunktes ist uns die Einfahrt unklar. Wir kehren um, geben die von Cathy erhaltenen Wegpunkte ein und fahren sicher zwischen den diversen aus dem Wasser ragenden Felsen in die Bucht. Ein schöner Ankerplatz.

   
Puerto Escondido, Honduras   Leider kann man die Brüllaffen nicht hören  

Es liegt bereits ein Segelschiff am Anker. Douglas und seine guatemaltekische Freundin Kelvin rudern per Dingi vorbei. Wir plaudern kurz miteinander. Ich schwimme ans Land und sammle ein paar Muscheln. Martin spannt in der Zeit das Sonnendach auf. Wir machen einen Nachmittagsschlaf. Danach gönnt sich auch Martin das erste Salzwasserbad seit siebeneinhalb Monaten. Wir kochen was Feines und gehen zeitig ins Bett.

   
Im Meer nach sieben Monaten, Puerto Escondido    

Nachts regnet es ein wenig, doch am Morgen herrscht strahlender Sonnenschein. Wir schlafen aus. Nehmen ein gemütliches Morgenessen zu uns. Wir lesen in unseren Führern über Honduras. Ich backe Brot und Müesli. Am Nachmittag kommen drei amerikanische Segler mit ihren Schiffen in die Bucht rein gefahren und ankern rechts und links von uns. Ich schwimme erneut an Land, diesmal mit einem Plastiksack bewaffnet und sammle schöne Stücke ein. Ich erkunde die ganze Länge des Strandes. Er ist romantisch sandig, mit Schwemmholz und ausgebleichten Tierknochen. Als ich zum Schiff zurück komme, lässt Martin den Kopf hängen. Irgendwie werden unsere Haushaltbatterien nicht mehr geladen. Ich schlage vor, die Ursache zu suchen und siehe da, Martin entdeckt, dass der Kabelschuh im Motor gebrochen ist. Das vierhändige Löten mit meiner Lötmaschine klappt auch gut für Reparaturen. Das lässt sich sehen. Als Martin das Teil wieder anschraubt, klappt es mit dem Laden wie in früheren Zeiten.

Auch am Freitag klettern wir um vier Uhr dreissig aus den Federn. Wir legen punkt sechs los, doch können wir entgegen unserer Hoffnung nicht segeln. Die ganzen vierundfünfzig Meilen von Puerto Escondido nach La Ceiba kämpfen wir mit dem Motor gegen Wind und Wellen.

   
Ausfahrt aus Puerto Escondido   Auf nach La Ceiba   Punta Sal


Die ersten vierzig Meilen motorsegeln, doch dann kommt der Wind genau von vorn, und wir ziehen das Segel ein. Was für ein Hack! Ich weiss jetzt, warum die Amerikaner nicht diese Strecke segeln sondern nach Utila gehen: die sind ja nicht blöd.... Als ich mich unterwegs mit einer Hand am Schiff fest und mit der anderen das Fernglas halte, um ein Fischerboot genauer unter die Lupe zu nehmen, packt ein Windstoss mein Zar–Par–Hütchen und haut ab damit. Martin schenkt mir zum Trost seines, da er sowieso nur den selbstgemachten Sonnenhut trägt. Wir kommen nur sehr schleppend resp. geschüttelt vorwärts. Die Nacht fällt ungefähr anderthalb Stunden bevor wir unser Ziel erreichen übers Land. Wir finden die Hafeneinfahrt mit dem im GPS programmierten Wegpunkt problemlos, fahren rein, und ankern gleich hinter der Mole. Als ich vom Anker ins Cockpit zurück komme, teilt mir Martin mit, dass der Motor sich selber verabschiedet hat. Wir sind zu müde, um uns noch heute darum zu kümmern. Das kann bis morgen warten.

   
La Ceiba, Honduras    

Kurz vor sechs nimmt uns ein Fischer mit seinen zwei Söhnen auf. Sein Netz hängt in unserer Schraube. Jetzt ist klar, warum unser Motor nicht mehr funktionieren wollte. Sein Sohn schneidet das Netz mal raus und er verspricht, um neun Uhr wieder zu kommen, um unsere Schraube von den Netzresten zu befreien. Wir zahlen ihm die verlangten hundert US–$, obwohl uns der Preis recht hoch erscheint. Etwas früher als versprochen tauchen sie wieder auf. Sein sechsjähriger Sohn taucht mehrfach zu unserer Schraube. Als er erschöpft ist, übernimmt ein anderer junger Mann, Willrem, den Job. Ich bin erstaunt, wie lange der unter Wasser bleiben kann: eine Minute und fünfzig Sekunden (ohne Dich, Rhea, wäre ich nie auf die Idee gekommen, das zu stoppen). Wahnsinn. Nach mehreren Tauchgängen meldet er, dass die Schraube sauber sei. Wir probieren es aus und sie dreht problemlos. Wir versuchen, den bereits bezahlten Preis etwas runter zu handeln, da verziehen sich alle schleunigst. Mit unserem Messer. Als ich das reklamiere, bringen sie es sofort zurück. Etwa eine Stunde später schaut Willrem und der eine Sohn auf dem Surfbrett nochmals vorbei. Er fragt, ob er für seine Arbeit nichts kriege. Wir diskutieren die Frage ausgiebig mit ihm und er erhält auch noch seinen Obolus. Wir funken die beiden hier ansässigen Marinas an. Die eine ist übers Wochenende geschlossen, die andere zu teuer. So werden wir dieses Wochenende am Anker verbringen. Am Nachmittag kommen die beiden Jungen auf dem Surfbord nochmals vorbei und schenken uns vier junge Kokosnüsse. Der Saft ist herrlich und das Fleisch ein Traum. Wir lesen und geniessen das Nichtstun.

   
Fischerssohn und Willrem, La Ceiba    

Ausschlafen. Zum Glück werden wir von keinem Fischer geweckt! Als wir ganz friedlich am Anker hängen, machen wir uns mit dem Sonntagsleben im Hafen von La Ceiba bekannt. Familien kommen an den Strand zum Picknicken, baden und Boot fahren. Ein Fährmann paddelt sein Bötchen den ganzen Tag von einer zur anderen Seite des Hafenbeckens und hat häufig Fahrgäste mit Fahrrädern. Willrem führt sein Pferd zum Schwimmen aus und junge Männer reiten auf Pferden den Strand entlang. Wir lesen, bewundern das gebirgige Profil von Honduras und freuen uns darauf, morgen die Stadt La Ceiba kennen zu lernen.

   
Fähre in La Ceiba   Wartet auf die Fähre   Willrem und sein Pferd