Logbuch
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Cienfuegos und Cayo Largo in Kuba sowie Livingston und Rio Dulce in Guatemala
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Mittwoch, 28. Mai bis Freitag, 20. Juni 2008

Am Mittwochmorgen profitieren wir noch ein letztes Mal von unserem Mietauto und fahren zum Cementeria de la Reina in Cienfuegos. Es ist ein altehrwürdiger Friedhof, der Ende des Neunzehnten, anfangs des Zwanzigsten Jahrhunderts seine Blütezeit hatte. Von aussen sieht man schon, dass ihm das Meer schwer zugesetzt hat: die Friedhofmauer neigt sich dem Betrachter in einem bedenklichen Winkel entgegen. Eine ältere Frau begleitet uns, erläutert das eine oder andere Grabmal, allen voran das Berühmteste: La Bella Durmiente. Die Statue der jungen Frau, welche angeblich aus Liebeskummer gestorben ist, strahlt eine abgeklärte Ruhe aus.

   
Cementerio La Reina, Cienfuegos   Himmlische Gestalt   La Bella Durmiente


Doch ist sie bei weitem nicht die einzige Statue, die uns fasziniert. Es gibt noch andere Frauen, Jesusgestalten und der Heilige Christopherus, die eng gedrängt auf diesem Friedhof betrachtet werden können.

   
Schöne Frau   Auch sie schläft   Anmutig


Der Friedhof besteht aus zwei Teilen: Im Kern ist alles mit Platten versehen, im äusseren Teil ist er grün überwuchert, die Gräber sind zum Teil offen, die Grabplatten runtergefallen, die Statuen teilweise von Hurrikanen zerstört. Wir nehmen uns Zeit, die ganze Anlage ausgiebig zu besichtigen und auf uns wirken zu lassen. Danach geben wir unser Auto in der Vermietung ab. Sie machen keine Probleme wegen dem Ersatzrad, das wir flicken und aufpumpen liessen. Auf dem Heimweg kaufen wir im Supermarkt ein, verbringen einen Nachmittag mit Brot backen, Fotos sortieren und anschreiben, Wäsche waschen und lesen. Wir lassen die Eindrücke von unserem morgendlichen Friedhofbesuch auf uns wirken.

Den Donnerstag gehen wir gemütlich an. Ich darf noch unsere Bettwäsche in der Waschmaschine der Thetis waschen, doch macht das Wetter zum Trocknen nicht mit. Am Nachmittag verfasse ich den Logbericht, Martin liest ihn sorgfältig durch wie immer und dann klemmen wir uns hinter die Fotoauswahl, da die geposteten Hühnerschlegel eine Stunde im Backofen schmoren. Als wir zum Abendessen übergehen, haben die Hunde von der Marina auch noch was davon und das freut sie aufrichtig. Ein Marinero kommt im Dunkeln vorbei und erklärt uns, dass jetzt der Wasserdruck zum Füllen unserer Tanks gut wäre. Also machen wir das.

Zeitig auf und umgehend die Wäsche in die Sonne hängen. Am Morgen beenden wir die Fotoauswahl und fahren nachmittags in die Stadt, um Bericht samt Fotos an Dorothee zu senden. Wir kaufen im Supermarkt und auf dem Markt ein. Doch für den Markt sind wir eindeutig zu spät dran, alle sind bereits am Zusammen räumen und wir erwischen nur noch Tomaten und Bananen. Wir essen ein Sandwich in der Stadt. Am dritten Tag ohne Rasierapparat entschliesst sich Martin, zur Nassrasur überzugehen, was mich freut, da ich keine Freundin von Bärten bin. Wir kaufen das notwendige Zubehör und fahren mit einem Pferdekütschli zurück. Heute Abend kommen Coletta und Erwin zu uns zum Znacht. Da der Regen heftig hernieder prasselt, essen wir unsere Spaghetti Bolognese im Bauch von Suleika und verbringen einen ausgesprochen gemütlichen Abend mit den beiden Holländern.

   
Doch kein Bart   Pferdekütschli  

Am Samstag machen wir uns früh auf die Socken, damit wir auf dem Markt das einkaufen können, was wir wirklich benötigen. Danach nochmals ins Internetcafé, das Wetter studieren. Mein zweiter Knochenring hat den Geist auch aufgegeben, doch ist heute Israel, der Ringverkäufer, nicht auf dem kleinen Kunstmarkt anzutreffen. Wir trinken ein Bierchen beim Parque José Martí. Zum ersten Mal ist die Kirche geöffnet und wir gehen sie uns anschauen. Drinnen hat es zwei Schaukelstühle, die nah beieinander stehen mit einem Anschlag davor, dass man sich doch wieder mal zur Beichte begehen sollte.

   
Fleisch posten auf dem Markt   Plaza José Martí   Catedral de la Purísima Concepción


Als wir uns auf die Suche nach einem Pferdekütschli machen, beschliessen wir, uns in die Schlange vor dem Coppelia zu stellen. Coppelia ist eine kubanische Eisbude, die sehr beliebt ist und wo selbst wir mit Pesos Nacional zahlen können. Das Restaurant hat Spanplattentische, die mit weissem Kunststoff beklebt sind und fix daran montierte grüne Plastikschalenstühle. Wir probieren die beiden zur Verfügung stehenden Glacésorten: Orange und Schokolade. Das Schoggiglacé ist der absolute Hit und ich bestelle noch einen Nachschlag. Soooo fein. Zufrieden lassen wir uns heim kutschieren.

   
Glacévergnügen im Coppelia    

Am Sonntag versuchen wir über Funk eine Wetterprognose zu erwischen, was leider misslingt. Wir füllen noch sämtliche leeren Petflaschen und Kanister mit Wasser. Martin putzt die Elektroden. Danach gönnen wir uns ein kühles Bier in der Marinabar und verbringen einen gemütlichen Abend daheim.

Als wir am Montagmorgen in Cienfuegos ankommen, wundern wir uns über die vielen langen Schlangen vor allen Geschäften. Als wir uns selbst vor der Bank anstellen, erfahren wir, dass der Strom ausgefallen ist und niemand arbeiten kann.... So bummeln wir den Touristenständen entlang, die brauchen keinen Strom, da sie keine elektronischen Kassen haben! Diesmal ist Israel hier und ich berichte ihm, dass ich kein Glück hatte mit seinem zweiten Ring. Spontan schenkt er mir einen dritten. Wir gehen ins Internetcafé und können feststellen, dass das Wetter ganz gut aussieht. Trotzdem beschliessen wir, die Frist für Suleika in Kuba zu verlängern, denn sie läuft in zwei Tagen ab. Wir suchen noch eine Haarbürste zu kaufen, doch handelt es sich hier offensichtlich um einen Artikel, der momentan nicht käuflich zu erwerben ist. Wir fahren mit unserem ersten Kutscher, Sergio, zur Marina, holen die Papiere, fahren zum Zollamt und der zuständige Beamte teilt uns mit, dass wir gar nicht hätten vorbei kommen müssen. Zurück in der Marina kommt raus, dass wir am falschen Ort waren..... Wir werden uns morgen so früh als möglich nochmals auf die Socken machen.

Um acht Uhr sind wir bereit und fahren zum Zoll. Diesmal erwischen wir die zuständige Beamtin, doch fehlt ein Papier in unseren Unterlagen.... Martin wartet und ich fusse Richtung Marina. Nach einer kurzen Wegstrecke hält ein Pferdekütschli. Der Kutscher bringt mich zur Marina, wartet und wieder zurück zum Zollamt. Diesmal ist die Beamtin zufrieden mit den Unterlagen und erteilt uns die gewünschte Verlängerung kostenlos. Danach gönnen wir uns ein Sandwich zum Morgenessen. Wir besuchen nochmals den Markt und ich erstehe meinen ersten Zwiebelzopf. Soo schön. Wie immer, wenn wir hier einkaufen, essen wir auch heute eines dieser wunderbar feinen Chorizobrötli. Wir können auch die mit Peso Nacional bezahlen, so dass für uns ein Brötchen CHF –.25 kostet. Wahnsinn. Wir prüfen das Wetter im Internetcafé und schauen nochmals bei Israel vorbei. Auch heute gönnen wir uns ein Glacé im Coppelia. Diesmal beschränken wir uns beide auf die Schoggiglacé. Als wir zu Suleika zurück kehren, sehen wir, dass unsere Freunde von Schiff Ayke uns noch eine Mango und Kochbananen hinterliessen, bevor sie nach Viñales aufbrachen.

Entgegen unserer vorherigen Abklärungen heisst es heute, dass in der Marina die Bezahlung mit der Visacard nicht möglich sei. Ärger. Also fahre ich mit einem Kütschli in die Stadt, um das nötige Bargeld zu beschaffen. Martin prüft in der Zeit, ob keine Hurrikanwarnung erteilt worden ist in der Zwischenzeit. Zurück auf Suleika backe ich Brote, koche unser Abendessen vor, räume das Schiff auf und putze es noch ein letztes Mal mit Wasser vom Steg. Auch die letzte Wäsche hänge ich noch zum Trocknen an die Sonne. Wir verlegen an die Tankstelle, wo es guten venezolanischen Diesel gibt. Pünktlich um vierzehn Uhr kommen die Offiziellen aufs Schiff. Um vierzehn Uhr fünfundvierzig legen wir ab. Da sie noch ein Fischerboot zwischen uns und den Chartercatamaran geklemmt haben, ist es sehr eng und die Strömung treibt uns gegen den Betonsteg.... Martin schafft die Ausfahrt, ohne dass Suleika oder ein anderes Boot Schaden nimmt. Gut gemacht. Wir sehen am Horizont graue Regenwände, doch kommen wir selber mit ein paar Tropfen davon.

   
Ablegen bei Gewitter    

Wir haben für die Überfahrt nach Cayo Largo eine mondlose, sternklare Nacht. Zu Beginn müssen wir motoren, doch schon bald kommt eine schöne Brise auf und wir hissen Segel. Herrlich. Bei der Einfahrt nach Cayo Largo nehmen wir den neu ausgebaggerten Kanal. Kaum sind die Leinen festgemacht, schon haben wir die Offiziellen an Bord. Der Papierkram wird reibungslos und effizient erledigt. Wir montieren die Segelschütze, geniessen einen Ankerdrink und schlafen tief und traumlos von elf Uhr morgens bis sechzehn Uhr nachmittags. Wir hängen gemütlich in den Abend rein.

   
Cayo Largo, Kuba    

Auch am Freitagmorgen lässt das Schlafmanko grüssen und wir erheben uns spät. So spät, dass uns ein Beamter um neun Uhr aus den Federn scheucht. Er stempelt eines unserer Papiere und zieht wieder ab. Die erste Nacht war Mückenterror. Jetzt gibt es nur eines: endlich das angefangene Moskitonetz zu Ende bringen. Nachdem ich bei Yvonne abgespickt habe, wie wir das mit der Luke über unserem Bett lösen könnten, sind wir beide total motiviert und machen Nägel mit Köpfen. Noch vor dem Sundowner sind die neuen Moskitonetze vielversprechend montiert. Wir kaufen im marinaeigenen Laden Bier und Mineralwasser ein.

Anderntags sind wir erfreut, dass die Bank hier auch am Samstag geöffnet hat und kaufen dort unsere Marke, die uns zur Ausklarierung berechtigen wird. Ansonsten posten wir Eier und ein tiefgefrorenes Poulet im Laden in der Marina. Ich sichere Martin auf den Mast. Er holt die kaputte LED–Birne aus dem Ankerlicht und setzt wieder die klassische ein. Funktioniert perfekt. So sind wir für kommende Abenteuer gerüstet. Einmal mehr backe ich Brot, koche vor und wir geniessen das Poulet à l’estragon zum Abendessen. Morgen geht es los!

Am Sonntag in der Frühe bereiten wir das Schiff für die Abfahrt vor und sehen bereits, dass draussen schlechtes Wetter herrscht. Der Hafenmeister lässt uns im Internet das Wetter anschauen: sowohl der Wetterbericht als auch die Ansicht des Hafenmeisters bestätigt unser ungutes Gefühl: mit der Störung, die vorbei zieht, ist nicht zu spassen und wir vertagen unsere Abreise schweren Herzens. Dafür machen wir uns einen gemütlichen Tag. Ich profitiere von der geschenkten Zeit um im Laden noch Gemüse und Früchte zu bestellen. Hier auf der Insel Cayo Largo arbeiten die Leute jeweils während zwanzig Tagen am Stück und haben dann zehn Tage frei. Hat für uns den enormen Vorteil, dass die Bank und der Laden täglich offen sind. Auch am Wochenende!

Erneut bereiten wir Suleika auf die Überfahrt nach Guatemala vor. Diesmal stimmen Wetter und Wetterbericht mit unseren Plänen überein. Welche Erleichterung. Es fehlen uns jetzt nur noch die bestellten zwei Kilo Kartoffeln. Als auch die eingetroffen sind, wechsle ich auf der Bank die restlichen Pesos in amerikanische Dollars, benachrichtige die Offiziellen und als sie die Papiere gestempelt, das Schiff durchsucht haben, geht es los. Wir fahren durch den Originalkanal raus, an den Touristen am weissen Sandstrand vorbei und kaum haben wir die letzten Bojen hinter uns gelassen und damit tiefes Wasser erreicht, setzen wir Segel und brausen in den Nachmittag.

Die Nacht von Dienstag auf Mittwoch beginnt mondhell und sternenklar. Langsam brauen sich Gewitter zusammen. Genau in der Richtung, wo wir hinsegeln, finden schreckliche Unwetter statt. Doch haben wir insofern Glück, als wir die während Stunden nicht erreichen. Vor dem Hintergrund, dass die Hurrikansaison bereits begonnen hat, geben uns all die Blitzlichter schon zu denken. Bei Tagesanbruch reffen wir. Wir befinden uns am Rand einer Tropical Wave. Tropical Waves sind Wellen im Passat–Strom, die in Afrika an der Grenze zwischen der Sahara und dem feuchten äquatorialen Dschungel entstehen und mit dem Passat nach Westen wandern, zwischen Juni und November so alle drei bis fünf Tage. Oft sind diese Tropical Waves die Geburtsstätte von Hurrikanen. Wir haben Glück und erwischen weder Gewitter noch Regen. Der Tag geht angenehm vorüber. Die Segelerei macht Spass.

   
Tropical Wave    

Die nächste Nacht verläuft ruhig. Wir haben wiederum keine Gewitter und nur ganz wenig Schiffe. So mag ich es am liebsten. Tagsüber lese ich in meinem Roman "Tara Road" von Maeve Binchy. Eine herrliche irische Soap, die hauptsächlich in Dublin spielt. Unser Bordcomputer gibt den Geist auf. Erst lässt er sich nicht mehr normal herunterfahren. Auch der Affengriff funktioniert nicht und nach dem dritten Abwürgen lässt er sich nicht mehr starten. Martin holt unseren Ersatzcomputer aus dem Schapp. Vorausschauend sind die Programme, die wir für den Funk brauchen, schon drauf aufgespielt, so dass wir keine Sekunde auf die Wetternachrichten verzichten müssen und auch nahtlos mit meinen Eltern im Kontakt sein können.

Die dritte Nacht steigert noch die Qualität: nicht nur ohne Gewitter sondern auch gänzlich ohne Schiffsverkehr. Das lassen wir uns gerne gefallen. Als der Morgen anbricht nehmen wir die Angel in Aktion. Es beisst ein Prachtskerl von einem Mahi–Mahi an. Als ich ihn langsam in Schiffsnähe bringe, schafft er es, sich so aufzurichten, dass er sich vom Haken befreien kann. Soooo schade. Wir werfen den Haken gleich wieder raus und müssen nicht sehr lange warten, bis die Angel surrt. Freudig erregt begeben wir uns zum Heck und ich versuche, den Fisch näher zu bringen. Doch schaffe ich nur wenige Meter, wenn er gerade nicht zieht. Muss ein Riesenbrummer sein. Ich kämpfe eine Weile mit ihm, ohne dass wir seiner ansichtig werden – er ist noch zu weit vom Schiff entfernt – und plötzlich ein Ruck und dann nichts mehr. Mit schlechtem Gefühl hole ich die Leine ein. An ihrem Ende hat es nichts mehr: keinen Köder und auch keinen Wirbel mehr. Gähnende Leere. Martin schaut in unserem Ersatzmaterial nach. Auch nichts. Zum Glück hat uns Nici ein paar Fischutensilien geschenkt für unser grosses Abenteuer. Da findet Martin einen Wirbel, den er an die Leine knöpfen kann. Vielen Dank Nici!

Am Freitag, dem dreizehnten, scheint ein Fisch sich für unseren Köder zu interessieren. Leider ist es ein falscher Alarm. Das Segeln ist eine wahre Freude. Heute haben wir einen Grund, am heiterhellen Nachmittag und auf Fahrt ein Bierchen zu trinken: soeben hat uns die Nachricht erreicht, dass Fränzi und David sich verlobt haben. Herzliche Gratulation und alles Gute Euch beiden! Wir sind total aufgestellt. Während dem ich mich der Lektüre widme, stellt Martin die Segel noch sauberer ein. Den ganzen Tag ist es sonnig und heiss. Einmal mehr bin ich dankbar für das Reisesonnensegel, das wir uns in La Gomera haben machen lassen. Nicht nur auf der Karte, auch dem aufkommenden Schiffsverkehr an merken wir, dass wir uns der Zivilisation nähern.

   
Munteres   Segeln  

In der Nacht auf Samstag muss ich um vier Uhr morgens gleich zwei Frachter im Auge behalten. Zum Glück zeigt sich bei beiden ziemlich schnell, dass wir ihnen nicht in die Quere kommen und keine Kurskorrektur nötig ist. Um neun Uhr kommt uns ein Frachter sehr nahe. Martin war bereits in der Bereitschaftsstellung, um per Motor auszuweichen. Im letzten Moment erweist sich dies als unnötig. Da wir keine Guatemalafahne kaufen konnten, nähe ich eine von Hand. Ein Stück vom alten Leintuch in der Mitte und blauer Spinnakerstoff machen es möglich. Zwar knistert das Teil etwas im Wind, sieht aber zufrieden stellend aus. Um achtzehn Uhr muss wieder ein Riesenbrocken mit unserem Köder gespielt haben, denn auch diesemal ist der Köder auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Wenigstens haben wir den Wirbel von Nici noch. Jetzt geben wir auf. Wir werden wohl als nächstes wieder mal frischen Fisch posten gehen.

   
Frachter in Griffnähe    

Auch die Nacht auf Sonntag ist sehr schiffreich. Martin hat verschiedene Wegpunkte eingegeben, so dass wir uns gefahrlos dem Land nähern können. Nicht, dass wir deswegen weniger aufmerksam rausschauten! Zu unserer Rechten sehen wir die Berge von Belize, links die Landzunge von Honduras und geradeaus – im grössten grauen Regen – Guatemala, unser Ziel. Mit Hilfe der Wegpunkte auf dem GPS lotse ich Martin nach Livingston. Tapfer und gutgelaunt – vom Ölzeug geschützt – steuert er Suleika durch die Rinne.

   
Unwetter über Guatemala   Es schifft  

Wir ankern an dem Ort, welcher der Hafenführer vorschlägt. Als wir gerade laut darüber nachdenken, ob wir das Einklarieren nicht auf Montag verschieben könnten, kommt ein Boot längsseits, das den Hafenmeister, die Dame vom Zoll und die Dame von der Einwanderungsbehörde bei uns ablädt. Wir müssen noch heute sämtliche Gebühren entrichten. So nehmen wir das Angebot eines Führers an, der auch im Boot heraus gekommen ist, uns in eine Wechselstube zu führen und uns die einzelnen Büros zu zeigen. Wir würden gerne alles erledigen und danach zu zweit essen gehen. Der Führer behauptet, der Hafenmeister sei nicht im Büro, wir sollten jetzt essen. Er hat vermutlich darauf spekuliert, dass wir ihn zum Essen einladen, was wir nicht tun. Während Martin auf das Essen wartet, gehe ich zur Immigration und zum Zoll. Die Dame vom Zoll eröffnet mir, dass ich am Montag nochmals vorbeikommen muss, da die Quittung von der Bank abgestempelt sein muss... Als wir bei Martin ankommen, sitzt er schon vor der bestellten Sopa Garifuna Tapado. Ich setze mich zu ihm und wir schwelgen in dieser fein abgeschmeckten Suppe, die einen Fisch, Shrimps, einen Krebs und Gemüsebananen enthält, gewürzt mit Koriander. Mmmmhhh. Danach gehe ich mit unserem Führer zum Hafenmeister, der über die Verspätung unseres Erscheinens etwas ungehalten ist. Nicht mir gegenüber, zum Glück. Wir verabschieden unseren Führer und bummeln durch Livingston. Es ist ein kleines Nest mit einer Hauptstrasse, welche von Hotels, Touristenläden und normalen Geschäften gesäumt wird. Wir spazieren bis zum gegenüberliegenden Strand und zurück, lassen uns wieder von einem Motorbötchen zu Suleika übersetzen. Dieser Service ermöglicht es uns, das Dingi schön zusammen gerollt in der Gästekoje liegen zu lassen. Wir vereinbaren mit Alfonso und seinem Sohn Jorge, dass sie uns am Montag um zehn Uhr abholen und zum Ufer bringen. Beim Sundowner müssen wir mit Entsetzen feststellen, dass die Ebbe so gross ist, dass wir unser Ruder am Boden anschlagen. Das bedeutet: weiter draussen ankern. Wir holen den Anker rauf und verschieben Suleika um ein paar Meter. Jetzt können wir uns beruhigt aufs Ohr legen und schlafen die ganze Nacht durch.

   
Livingston, Guatemala    

Am Montagmorgen poltert es an unser Schiff, als wir gegen neun beim Morgenessen im Schiffsinnern sitzen, weil es draussen etwas nieselt. Unser Führer will uns zum Ufer bringen. Wir machen ihm klar, dass wir bereits eine Abmachung getroffen haben und er behauptet, die anderen beiden könnten nicht kommen. Martin und ich legen Wert darauf, dass wir keine Scherereien wollen. Als pünktlich um zehn Alfonso und Jorge auftauchen, sind wir beide erleichert. Wie wir auf dem Zollamt unsere Quittung abholen möchten, erklärt uns die Lady, dass eine unserer fünfzig Quetzalnoten gefälscht sei.... Also geben wir ihr eine andere. Hat uns doch die Frau vom Wechselbüro über den Tisch gezogen.

   
Hauptstrasse von Livingston   Blick in die andere Richtung  

Nach dem Zoll gehen wir zur Bank und kaufen uns anschliessend ein Handy. Die Suche nach einer Haarbürste gestaltet sich in Livingston ähnlich schwierig wie in Cienfuegos! Ungefähr im fünfzehnten Geschäft werden wir fündig. Die Guatemaltekinnen scheinen sich alle nur zu kämmen.... Heute essen wir im Tilingo Lingo bei Maria zu Mittag. Sowohl Martins chinesischer gebratener Reis als mein indisches Shrimpcurry munden vorzüglich, ganz zu schweigen vom Salat und dem frischen Ananassaft. Auf dem Heimweg posten wir noch Früchte und Gemüse sowie Kokosbrot und Ananaskuchen. Martin ruft vom Schiff aus die Marina El Tortugal (www.tortugal.com) an und wir erfahren zu unserer grössten Freude, dass sie einen Platz für uns haben. Judihui!!

Als wir am Dienstag aufwachen, regnet es in Strömen. Doch bis nach dem Morgenessen beruhigt sich das Wetter. Bei bedecktem Himmel ziehen wir los. Die Schlucht des Rio Dulce ist eindrücklich. Zum Teil ist das Wasser bis zu achtundzwanzig Meter tief und es gibt rechte Wirbel in den Kurven. Das Festival der Grüntöne von all den Pflanzen, welche die steil abfallenden Felswände bewuchern, ist eine Augenweide.

   
Eintauchen in die Schlucht des Rio Dulce   Frau sieht und staunt   Festival der Grüntöne


Unterwegs treffen wir viele Mayas, die von ihren Einbäumen aus fischen. Einer bietet uns an, seinen Fisch zu kaufen, doch winken wir ab. Hin und wieder überholt uns ein Speedboot voller Touristen oder es kommt uns ein solches entgegen. Ansonsten herrscht absolute Ruhe auf dem Fluss. Wir tuckern durch die Flussverbreiterung El Golfete.

   
Durch den Dschungel   Die Wolken spiegeln sich   El Golfete


An dessen Ausgang werden wir der Brücke ansichtig und sehen auch schon unsere Heimat für die kommenden Woche: El Tortugal Marina. Russel, der Chef, kommt mit einem Bötchen raus und hilft uns, Suleika an der Mooring festzumachen. Glücklich nehmen wir einen Ankerdrink, ein frühes Abendessen und sinken auf die Kissen.

   
Die höchste Brücke Guatemalas, darunter El Tortugal    

Mittwochs schlafen wir aus. Nach dem Morgenessen kommt Russel mit dem Boot zu uns. Wir wählen den Platz mit einem Seitensteg. Das wird es uns leichter machen, Suleika zu verlassen und zu betreten. Russel kommt zu uns an Bord, am Ufer warten zwei Angestellte und zwei weitere sitzen in einem kleinen Schiff. Martin fährt ein sauberes Manöver und innert Kürze liegt Suleika gut vertäut in ihrem Slip. Während Martin am Nachmittag versucht, unseren Computer wieder zu beleben, gehe ich ans Ufer und nütze den marinaeigenen Computer, um unser Webmail abzufragen und mich auf den neusten Stand zu bringen. Zur Happy Hour treffen wir die Deutschen, Barbara und Wolfgang von der Momo, welche schon seit einem Monat hier im Rio Dulce weilen. Sie geben uns jede Menge Tipps. Zur Feier des Tages essen wir eine Pizza zum Znacht.

Am Donnerstag gehe ich morgens um sechs Uhr dreissig mit Janet, der Chefin, Barbara, Wolfgang und dem Boxer–Bullterrier–Dalmatiner–Mischlingshund Jefe spazieren. Wir legen ein zügiges Tempo vor. Um diese Zeit liegt das von der Temperatur her gerade noch knapp drin... Die Gegend ist ausgesprochen schön hier. Nach anderthalb Stunden sind wir zurück in der Marina. Nun nehmen Martin und ich ein erfrischendes Bad im Rio Dulce. Janet erklärt uns, dies sei die einzige Marina, in der man baden könne. Alle anderen liegen unterhalb der Brücke und da Fronteras alle Abwasser ungereinigt in den Rio Dulce lässt.... Haben wir also noch einen zusätzlichen Glückspunkt mit "unserer" Marina.

   
Unsere Marina El Tortugal    

Freitags sind Barbara, Jefe und ich morgen in der Frühe unterwegs. Auf dem Heimweg werden wir kräftig verregnet. Martin, der beim Aufwachen Kopfweh hatte, geht es besser. Wir schwimmen gemeinsam im Rio Dulce und geniessen das anschliessende Morgenessen. Wolfgang kommt vorbei und gemeinsam mit Martin nehmen sie die Ankerwinsch auseinander. Salz und Dreck haben sich abgelagert. Wolfgang holt seinen Dreikantschaber und mit vereinten Kräften befreien sie das Teil vom Dreck. Als es wieder eingebaut ist, läuft es rund wie ein Neues! Ein Guatemalteke kommt zu unserem Schiff und bietet uns Krevetten an. Wir entschliessen uns, zwei Pfund zu kaufen und sind begeistert, als wir sie zum Mittagessen im Olivenöl und mit Knoblauch versehen verspeisen. Ich hole die Wäsche aus der Wäscherei, beziehe das Bett neu und Martin legt sich zu einem Mittagsschlaf nieder, während dem ich den Logbericht beende.

Warum befinden wir uns im Rio Dulce? In der Karibik herrscht von anfangs Juni bis Ende November die Hurrikansaison. Der Rio Dulce liegt zwar noch im Hurrikangürtel drin, ist aber unter den Jachties bekannt dafür, dass man darin sicher liegt, weil das Gebirge, welches man mit dem Schiff auf dem Fluss durchquert, die Stürme abhält. So wird Suleika das nächste Mal Ende November, Anfang Dezember bewegt werden. Wir selber planen Guatemala zu besichtigen, einen Spanischkurs zu absolvieren und unsere Heimat wieder mal ausgiebig aufzusuchen. Wer also unsere Homepage nur wegen dem Segeln liest, kann gut eine Pause machen bis Mitte Dezember.