Logbuch
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St. Lucia, Rodney Bay Marina
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Dienstag, 20. Februar – Samstag, 3. März 2007

Nach dem Internetcafébesuch holen wir unser Dinghy aus dem Wasser, reinigen es gründlich und lassen es an Deck trocknen. Milan fährt mit seinen neuen Gästen weg und hupt zum Abschied. Wir gehen zeitig schlafen, da morgen der grosse Ausflugstag mit Vision auf dem Programm steht.

Als wir erwachen, giesst es wie aus Kübeln. Nicht gerade unser Wunschwetter für die Inselrundfahrt... Als wir bereits auf dem Sprung sind, das Schiff zu verlassen, schaut Francis vorbei. Schlechtes Zeichen! Das von uns gewünschte Dinghy ist in den USA nicht mehr vorhanden. Er hat telefonisch das letzte in England reserviert, doch wird das Teil mehr kosten, da der Transport ungleich teurer kommt. – Vision erscheint pünktlich und wir gehen zu dritt zur Autovermietung. Wir können die Tour heute nicht machen, da das Auto, welches sie für uns reserviert haben, eine Blockade des Vierradantriebs hat und fahruntüchtig ist :(. Programmänderung: Wir gehen ins Internetcafé. Kaufen danach eine neue Bullentalje und Holzzapfen. Leider haben sie den Impeller, welchen wir für unseren Motor brauchen, gerade nicht an Lager. Pech. Scheint nicht wirklich unser Tag zu sein heute. Zum Trost gehe ich noch zum deutschen Bücherswap und erwische einen riesig dicken Roman. Scheint gut zu sein.

Am Donnerstag ist der Unabhängigkeitstag von St. Lucia. Die Insel ist am 22. Februar 1979 in die völlige Unabhängigkeit entlassen worden. Trotzdem ist das offizielle Staatsoberhaupt noch immer die englische Königin, was man leicht an der Währung erkennen kann: auf allen Münzen und Noten lächelt einem die Queen an, umrahmt von Schildkröten und bunten Fischen. Wir bunkern Wasser. Kaufen Früchte und Gemüse beim Boatboy ein, waschen ein paar Sachen von Hand und trocknen die draussen an der Sonne. Martin hilft mir, mit Zeitungspapier und Malerabdeckband ein Hosenmuster zu erstellen. Aufgrund dieses Musters schneidern wir aus dem schwarzen Stoff eine Hose für mich. Martin hilft mir beim Abstecken, widmet sich ansonsten der Lektüre während dem ich an meiner Hose nähe.

   
Hosenmuster   Designer  

Zum Znacht backen wir gemeinsam eine Pizza. Vorher schaut noch Brian vorbei, der schwarze Zimmermann hier in der Marina. Er nimmt unsere Windfahne mit und den Deckel, der das Schapp unter dem Ersatzanker verschliesst. Martin hat beschlossen, ihn in zwei Teile sägen zu lassen, so dass wir zu den Sachen zukommen, ohne den Ersatzanker verschieben zu müssen. Kluges Kerlchen, mein Göttergatte.

Freitags wieder mal ins Internetcafé und danach zu Raymarine. Es ist immer noch nichts passiert. Wir kehren auf Suleika zurück. Ich nähe weiter an meiner Hose und Martin hilft mir erneut beim Abstecken. Nachmittags schauen wir nochmals bei Raymarine vorbei und insistieren. Der Geschäftsführer erklärt, dass er ein grundsätzliches Problem hat mit der Firma, was Garantiefälle angeht, und bevor er keine Antwort vom Hauptsitz hat, macht er keine Reparatur mehr. Er hat aber den gestrigen Feiertag genutzt, um mit dem obersten Geschäftsführer zu sprechen und erwartet heute oder spätestens am Montag eine definitive Antwort. Es besteht Hoffnung. Milan kommt mit seinen Gästen zurück und schaut schnell bei uns vorbei.

Am Samstag besuchen wir in Castries den Gemüse– und Früchtemarkt. Wir machen uns kurz vor acht Uhr auf die Socken und fahren mit dem lokalen Minibus nach Castries. Der Markt ist eindrücklich gross. Viele Händler und Händlerinnen sitzen am Boden und preisen ihre Ware an. Gemüse und Früchte werden in Kleinstmengen angeboten. Man merkt deutlich, dass die Leute nicht viel Geld zur Verfügung haben.

   
Markt in Castries   Buntes   Angebot


Fische und Fleisch werden auch angeboten. Wir entscheiden uns für frischen Fisch zum Znacht und posten ein paar Tranchen Mahi–Mahi (Goldmakrele). Nicht ganz so frisch, wie selbst gefangen, aber beinahe ebenbürtig.

   
Frischer Fisch   Eindrücklicher Silberschmuck  

In einer grossen Markthalle neben dem Gemüse– und Früchtemarkt ist ein Warenmarkt. Die Souvenirs und Kleider sind aber vorwiegend Touristenkitsch, entsprechend mit gepfefferten Preisen versehen. Auch über der Strasse gibt es noch viele Kleideranbieter, aber wir sehen nichts, was uns gefallen würde. So streunen wir weiter durch die Stadt. Wir schauen uns das Zollfreiwarenhaus an, in dem sich all die Kreuzfahrtschiffgäste tummeln, streifen dann lieber weiter durch die Strassen von Castries, wo es mehr Schwarze als Weisse hat. Wir schauen uns die wunderschön restaurierte römische–katholische Kathedrale im neugotischen Stil an. Wir haben beide noch nie eine so luftig gebaute Kathedrale aus Holz gesehen. Ein bleibender Eindruck.

   
Römisch–katholische   Kathedrale  

Zufällig kommen wir auch am Buchladen vorbei und müssen natürlich auch da unsere Nase reinhalten. Wir kaufen ein schmales Büchlein "A Visitor’s Guide to St. Lucia Patois". Das auf St. Lucia gesprochene Patois ist eine Mischung aus afrikanischer und französischer Grammatik, der Wortschatz entstammt der englischen, französischen und spanischen Sprache. Als ich mir diesen Führer etwas genauer ansehe, kommt es mir vor, als ob sie hier ein nicht ganz korrektes Französisch sprächen. Es sind natürlich auch immer die französischen Brocken, die wir am besten verstehen, wenn wir versuchen, einem Gespräch zwischen Einheimischen zu folgen. Wir spazieren weiter durch Castries und werden von einem Regenguss überrascht. Zum Glück haben wir unsere Regenjacken dabei.

   
Downtown Castries    

Wir finden wieder zum Markt zurück und essen in einer benachbarten Gasse kreolisch zu Mittag. Ganz feines Huhn mit allerlei Gemüse, das wir nicht kennen, welches uns aber ausgezeichnet mundet. Satt und zufrieden fahren wir mit dem Bus zurück in die Marina. Wo wir den Rest des Nachmittags gemütlich auf Suleika rumlümmeln.

Am Sonntag nähe ich die Hosen fertig. Danach statten wir dem Internetcafé einen kurzen Besuch ab. Aus dem auf dem Markt gekauften Basilikum, dessen Blätter vielleicht ein Fünftel so gross sind wie bei unserem heimischen Basilikum, erstelle ich mit Cashewnüssen eine Pestosauce. Herrlich, wieder mal was frisches Grünes auf dem Menuplan zu haben. Am Nachmittag widmen wir uns beide der Lektüre.

   
Massarbeit    

Am Montag machen wir den verschobenen Ausflug mit Vision. Übrigens: Visions Markenzeichen sind seine Schuhe. Am rechten Fuss trägt er einen grünen und am linken Fuss einen roten Turnschuh. Gute Idee, so erkennt man ihn jederzeit wieder.

   
Rodney Bay Marina    

Auf Martins Wunsch hin besuchen wir Vision’s Haus in der Region der Marigot Bay. Ein kleines Rastahäuschen, sehr gemütlich eingerichtet. Er wohnt darin mit seiner britischen Freundin Sarah und deren Sohn. Sie haben nicht viel mehr Platz als wir auf Suleika und deutlich weniger Sachen... Sein Häuschen ist umgeben vom Haus seiner Eltern und Häusern seiner Geschwister. Die ganze Familie scheint hier zu wohnen. Sarah, seine Freundin, macht Schmuck und wir schauen uns die vielen Ketten, Armbänder und Ohrringe in den verschiedensten Stilen an. Sie hat das Schmuckhandwerk in Südamerika erlernt, vor allem vom Vater ihres Sohnes.

   
Vision und sein Haus   Sarah und ihr Schmuck   Küche


Nach diesem Besuch fahren wir zu dritt mit dem Auto weiter. Wir kommen in Anse la Raye vorbei, wo wir den wunderbaren Lobster mit Milan genossen haben vergangene Woche.

   
Anse la Raye   Im Dorf Anse la Raye  

Weiter nach Soufriere zu den berühmten Pitons. Vision erklärt uns unterwegs die Bäume und die Früchte, die daran wachsen. Wir kaufen bei einer Frau, die einen riesig schweren Harass auf dem Kopf trägt, Soursops und nehmen die Frau gleich noch ein Stück mit, da sie in die gleiche Richtung muss wie wir.

   
Soufriere und die Pitons   Bananen und Grapefruit   Kopflastig


Ich bin froh, dass Vision fährt. Der Linksverkehr ist mir nicht ganz geheuer und ich sehe so viel mehr von der Landschaft. Unterwegs kaufen wir Cassavabrot. Das Rezept soll auf die Amerinidianer zurückgehen. Wir kaufen je eins mit Schokolade–, Zimt– und salzigem Fischgeschmack. Alle drei munden uns ausgezeichnet. In Soufriere wollten wir bei einem Rastaman zu Mittag essen, da Vision ein Rasta ist und weder Fleisch noch Fisch isst. Leider ist das Lokal seines Kollegen zu, so dass wir – gut gesättigt vom Cassavabrot – das Mittagessen streichen und stattdessen in den "Diamond Botanical Garden" fahren.

   
Diamond Botanical Garden   Wachsrose   Orchidee


Vision wartet draussen im Auto auf uns. Wir durchstreifen den Garten auf den schön angelegten Wegen, bewundern dicke Bambusstämme genauso wie die schönsten Blüten und riesige Bäume.

   
Farbige   unbekannte   Schönheiten


Sie haben zwei alte Bäder ausgegraben. In einem von diesen soll Joséphine, Napoleons Frau, schon gebadet haben. Für den heutigen Gebrauch haben sie neue Bassins erstellt, die weit weniger romantisch sind als die althergebrachten. Der Wasserfall ganz zuhinterst im Botanischen Garten ist schön und erfrischt durch die Kühle, die er verbreitet.

   
Wasserfall   Blick ins Grüne   Es wächst und wächst


Der Garten ist eine gute Vorbereitung für die Fortsetzung unseres Programms. Vision fährt uns mit dem Vierrad in den Regenwald, wo wir die meisten der bereits gesehenen Pflanzen nun auch in Gottes freier Natur bewundern können. Vor allem die beinahe fünf Meter hohen Farnbäume beeindrucken uns sehr.

   
Megafarne   Regenwald   Es wuchert


Da Vision uns auch noch einen Wasserfall versprochen hatte, fahren wir weiter durch wenig bewohntes Gebiet und er erklärt uns, wo sich die Wasserfälle befinden, dass sie aber zu Fuss schlecht erreichbar seien. So verzichten wir auf einen direkten Besuch derselben. Auf dem Heimweg kommen wir in Canaries vorbei, das in ein schönes Abendlicht getaucht ist.

   
Canaries    

Langsam fällt die Nacht übers Land und wir machen uns auf den Heimweg. Gerade bei der Bananenplantage von Visions Vater findet eine Grosskontrolle auf der Strasse statt. Sie winken uns raus, da Vision den Sicherheitsgurt nicht trägt, heissen ihn aussteigen und tasten ihn ab. Auf jeder Strassenseite sind sechs Polizisten im Dienst, zusätzlich noch je zwei mit der Maschinenpistole im Anschlag. Ziemlich ungemütlich, das Ganze. Uns lassen sie absolut unbehelligt. Wir atmen alle erleichtert auf, als wir weiterfahren können und wundern uns, was sie wohl gesucht haben mögen. Vermutlich Waffen und/oder Drogen. Wir kommen in den Stossverkehr und Vision beschliesst, einen Umweg mit weniger Verkehr zu machen. Schade, dass wir nicht mehr viel sehen. Die kleinen Nebenstrassen sind viel interessanter als die Hauptstrasse. Zufrieden und müde von den vielen neuen Eindrücken kommen wir auf Suleika an.

Da wir das Mietauto noch bis am Dienstagmorgen um zehn Uhr fünfzehn zur Verfügung haben, nutzen wir diese Zeit, um ein paar schwere Sachen einzukaufen. Vision fährt uns zum Einkaufszentrum und hilft uns danach, die Ware an Bord zu bringen.

   
Vision    

Gerne nehme ich Milans Angebot an und wasche auf seiner bordeigenen Maschine unsere Bettwäsche. Herrlich, wieder mal ganz frische, an der Sonne getrocknete Bettwäsche zu haben. Als wir am späteren Nachmittag noch ins Internetcafé wollen, liegt das eine wegen einer Panne flach und das andere ist gerade dabei zu schliessen, da sie heute früher nach Hause wollen. Pech. Wir rufen Francis an und erkundigen uns nach unserem Dinghy. Es sollte heute Abend eintreffen. Wir warten mit dem Essen und knacken unsere erste Kokosnuss.

   
Die erste Kokosnuss    

Francis schaut vorbei und nimmt mal unser altes Dinghy bereits mit. Eine Stunde später informiert er uns, dass unser Dinghy erst anderntags käme, da seine Frau mit einem anderen Mann (und unserem Dinghy in ihrem Auto) essen gegangen sei. Tja, so kann es einem ergehen hier.

Wir sind äusserst erstaunt und erfreut, als Francis tatsächlich am anderen Morgen um neun Uhr unser Dinghy liefert. Sandro, von einem Schweizer Schiff uns vis–à–vis gelegen, hilft uns beim Aufpumpen. Als wir das Dinghy gewassert haben (es schwimmt!!), zieht Martin Sandro auf dessen Schiff in den Mast hinauf, wo er etwas an der Beleuchtung reparieren muss. Danach montiert Martin die nötigen Seile am neuen Dinghy, damit wir es mithilfe des Falls aus dem Wasser ziehen können. Man hat uns gesagt, neue Dinghys seien beliebte Diebstahlobjekte. Also wollen wir uns besser vorsehen. Die Konstruktion von Martin funktioniert perfekt. Wenn wir bedenken, dass uns Francis noch was einbauen wollte zu diesem Zweck und das hätte fünfhundert US–Dollar gekostet....

   
Unser neues Dinghy    

Am Nachmittag packen wir unsere zwei verrosteten Gasflaschen und bringen sie zum Füllen. Wir müssen dringend etwas gegen den Rost unternehmen und die Flaschen neu bemalen, wenn die jetzt für die nächste Zeit herhalten sollen! Zum Znacht essen wir Christophine an einer Curry–Kokosmilch–Sauce. Christophine ist ein kohlrabiähnliches Gemüse, das wir sehr gerne mögen und das man auch roh essen kann.

Am Donnerstag, ersten März, sind wir nicht motiviert, die Koje zu verlassen, da es wie aus Kübeln schüttet. So lesen wir ausgiebig im Bett, bevor wir uns erheben. Als wir uns nach Farbe und Rostumwandler für die Gasflaschen umgesehen haben – die Dosen sind viel zu gross, also verzichten wir im Moment auf den Kauf – treffen wir Jim, den Iren aus La Palma, im Café. Wir trinken was zusammen und tauschen unsere Erfahrungen während der Atlantiküberquerung aus. Danach beginnt Martin mit der Revision des Aussenbordermotors während dem ich Müesli backe. Danach gehe ich noch kurz ins Internetcafé.

Am Freitag testen wir den Aussenborder: er springt sofort an, fördert aber kein Kühlwasser. Ich wasche ein paar Sachen, löse der Lady Lisa die Leinen. Sandro und Lisa ziehen weiter nach Martinique. Wir erfahren beim DSL–Yachting, dass unser Aussenborder auch einen Impeller hat und der mit grösster Wahrscheinlichkeit futsch ist. Uns trifft fast der Schlag. Langsam kriege ich den Impeller–Verfolgungswahn. Echt. Da wir nicht wussten, dass unser Aussenbordmotor einen Impeller hat, haben wir natürlich auch keinen Ersatz. Was für ein Ärger. Nach Feierabend erklärt der Mechaniker von DSL–Yachting Martin, wie er den Impeller rausnehmen kann. Wir folgen seinen Anweisungen und entdecken einen Impeller, der noch schlechter aussieht als alle, die wir bis jetzt aus dem Schiffsmotor gefischt haben.

   
Überreste des Impellers    

Am Samstagmorgen kaufen wir ein Kabel, um unser Dinghy diebstahlsicher an beispielsweise eine Palme anbinden zu können. Martin konnte durchsetzen, dass er bei der Reparatur des Autopiloten dabei sein darf und so lernt, wie das Innere dieses Teils aussieht. Gut. Dann weiss er schon mehr bei zukünftigen Problemen, sollten da noch welche auf uns zukommen, was wir nicht hoffen. Martin kommt mit dem Autopiloten zurück und ich assistiere ihm bei der Montage. Als wieder alles perfekt montiert ist, gehe ich noch was für das Nachtessen posten. Martin liest und ich schreibe den Logbuchbericht.

   
Autopilot in Kur    

Dank unserem Züri by Mike Kalender wissen wir, dass heute eine totale Mondfinsternis stattfindet. Freundlicherweise geht die über die Bühne, als wir gemütlich im Cockpit sitzen und Znacht essen. Kurz nach dem Aufgehen sehen wir den Vollmond schwach rötlich scheinend am Himmel. Vorbeiziehende Wolken stören das Schauspiel von Zeit zu Zeit. Es ist faszinierend zu beobachten, wie der Schatten sich langsam verzieht und der Vollmond in seiner gewohnten Weisse am dunklen Nachthimmel erstrahlt.