Logbuch
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La Gomera und erste Eindrücke von Teneriffa
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Samstag, 17. – Dienstag, 27. November 2006

Am Donnerstag haben wir einiges an Administration zu erledigen. Im Laufe des Tages bringen wir auf der Capitanía ein paar Pralinés von Lindt vorbei, weil die beiden Frauen und der Chef wirklich die nettesten Menschen sind, die uns während unserer Reise in einer Marina begegnet sind. Die Freude über die Süssigkeiten ist gross. Da es in Strömen regnet, gehen wir ins Internetcafé und Locutorio zum Telefonieren. Heute ist der Tag, an welchem "meine" Goldschmiedeklasse ihre erste Ausstellung hat in Zürich. Geistig sind wir bei ihnen und ein ganz klein wenig keimt Neid in mir auf. Ich mag zwar allen dieses Event gönnen, hätte aber auch sehr gerne daran teilgenommen... Alles kann frau nicht haben!

Die Sonne scheint und der Wind bläst ganz kräftig. Wir nehmen ein gemütliches Zmorge zu uns. Ich arbeite den ganzen Tag an meiner Silberkette. Trotz Martins Hilfe misslingt das Anlöten der Ösen an den Knebelverschluss. Da höre ich für heute auf. Martin sitzt über den Karten und studiert unsere Ankunft in der Karibik. Abends gehen wir noch kurz ins Internetcafé und danach eine Pizza essen.

   
Am Silberschmieden    

Auf unseren besonderen Wunsch hat sich Brigitta, die Schweizerin, die mit ihrem gomerischen Mann am Samstag auf dem Markt Brot, Früchte und Gemüse verkauft, bereit erklärt – nach vorhergehenden telefonischen Abklärungen in der Schweiz über die Haltbarkeit – uns Vollkornmehl zu mahlen, damit wir auf der Überfahrt feines, gesundes Brot backen können. So gehen wir auf den Markt, posten neben dem Mehl auch noch Brot, Gemüse und Früchte. Die Erzeugnisse von Brigitta und Antonio sind von ausgezeichneter Qualität und Haltbarkeit. Zurück auf dem Schiff montiert Martin drei Haken im Abgang, damit wir nasse Sachen trocknen oder das Netz für die Orangen dort aufhängen können, wenn wir die Früchte waschen. Genial. Diesen Ort für Haken haben wir auf der Temptation abgespickt. Danach schraubt er die Tischhalterungen im Salon sowie im Cockpit fest. Ich arbeite weiter an meiner Silberkette.

Am Sonntag haben wir erneut ein Auto gemietet und fahren zeitig los. Wir kommen an Bananenplantagen vorbei.

   
Bananen   Staude mit Blüte   und Blätter


Diesmal verfügt das Besucherzentrum des Nationalparks über Strom, so dass wir das empfohlene Video ansehen können. Es lohnt sich wirklich. Die Aufnahmen der Natur sind eindrücklich. Einmal mehr halten wir an jeder Strassenecke an, um einen Blick des Waldesinnern zu erhaschen und die Atmosphäre des Waldes einzusaugen. Das Streicheln der verschiedenen Moosarten löst unterschiedliche Empfindungen aus (danke, Andreas).

   
Moosig   Verzaubert   Einladend


Wir essen wieder im gleichen Restaurant wie beim ersten Ausflug. Auch heute ist die Qualität des Essens ausgezeichnet. Ausser uns sind lauter Einheimische im Restaurant und geniessen Quantitäten von Essen, dass uns beinahe die Augen rausfallen. Nach dem Essen fahren wir auf kleinen, steilen Strässchen die wildesten Barrancos runter. Leider sind unsere beiden Wunschstrassen nicht miteinander verbunden, so dass wir denselben Weg zurück nehmen müssen und in der nächsten Schlucht wieder auf einer Bergstrasse mit vielen Kurven hinunter gurken. Ein herrliches Erlebnis. Zum Glück ohne Gegenverkehr.

   
Runter in die Schlucht   Tafelberg mit Barranco  

Unterwegs sehen wir vom Auto aus neun Wildhasen, die ganz friedlich am Strassenrand hocken und mümmeln. Nach den ersten paar versuchen wir, einige anzuschleichen, den Wagen anzuhalten und zu fotografieren. Doch da erschrecken sich die hübschen Tiere und suchen hoppelnd das Weite. Da die Hasen auf den Kanaren von den Menschen eingeführt worden sind, haben sie keine natürlichen Feinde. So sind sie zu einer Landplage geworden, was wir daran merken, dass viele überfahren auf den Strassen liegen. Auch einen Falken sehen wir am Himmel kreisen. Immer wieder fasziniert uns die eigene Schönheit des Waldes hier.

   
Grüne Wildnis   mit Farn   und Flechten


Am Montag klettern wir früh aus der Koje, da wir noch Fotos nachholen wollen, die wir am ersten Ausflugstag wegen fehlender Parkplätze verpasst hatten. Martin lässt auf seiner Seite das Fenster runter, ich halte an unmöglichen Stellen an und er fotografiert den Berg, der mir so gut gefallen hat. Er wird diese ritterliche Tat mit einer bösen Erkältung büssen, da die morgendlichen Temperaturen doch schon recht frisch sind.

   
Pagode   Bauernsame im Vordergrund   Abgrundtief


Danach geben wir das Mietauto ab, zmörgelen ganz friedlich auf dem Schiff und drücken Ulla die Daumen. Wir füllen die erste Fünfliterpetflasche mit unserem neuerworbenen Vollkornmehl. Das klappt sehr gut. Wir unterhalten uns mit unseren neuen Nachbarn von der Dicken Bank, Wolfgang und Barbara mit ihren Kindern Paul und Ida–Ellen, über alle möglichen Aspekte des Segelns. Erfahrungsaustausch ist eine wichtige Sache beim Segeln. Nach dem Mittagessen gehen wir ins Internetcafé und schauen uns die Fotos an, welche Fränzi uns von der Ausstellung der Schmuckmacher gesandt hat. Super!!! Wir geniessen die Fotos von den steten Veränderungen der Wannenholzstrasse genauso. Als wir am Znacht sind, schaut unser ehemalige Schiffsnachbar Alfred vorbei. Er ist zurück von La Palma und wird uns morgen einen Besuch abstatten. Wir sind ja gespannt.

Wir schlafen ausgiebig aus. Danach füllen wir das restliche Mehl in die zweite – zwischenzeitlich getrocknete – Petflasche ab. Weiterhin beschäftigt uns die Administration. Wir starten einige Telefonate.

   
Administration unter Ficus    

Danach posten wir, um Schinkengipfeli zu machen, da wir abends auf der Fugue bei Alfred eingeladen sind. Das französische Ehepaar Monique und Didier werden auch dort sein. Leider verbrennen wir eine Ladung unserer Schinkengipfel. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass dies gut war so, da Monique und Didier eine baskische Omelette – sprich Tortilla – mitbringen und Alfred Lachs, Salami und zwei Pizzas vorbereitet hat. Wir essen und trinken den ganzen Abend aufs herrlichste. Als wir um Mitternacht die Fugue verlassen, halten die Kakerlaken gerade eine Stegparty ab. An allen Ecken wimmelt es von diesen widerlichen Insekten!

Als wir erwachen, stellen wir fest, dass Martin etwas Fieber hat, nachdem er bereits gestern abend über Halsschmerzen klagte. Wir unternehmen nur einen kleinen Stadtausflug, gehen ins Internetcafé und kehren bald wieder aufs Schiff zurück. Martin legt sich hin und ruht sich aus. Ich poste erneut die Zutaten für Schinkengipfeli, da wir heute abend bei Bénédicte, Olivier und den Kindern Zoé, Bastien und Violette zum Apéro eingeladen sind. Bénédicte hat eine feinen Rumpunsch vorbereitet und wir unterhalten uns super mit ihnen. Zeitig kehren wir auf Suleika zurück.

Am Donnerstag ist Martins Fieber schlimmer geworden. Er beschliesst – weise (endlich) – den Tag im Bett zu verbringen. Ich lese ihm ein Kapitel aus Daniel Kehlmann "Die Vermessung der Welt" vor. Danach gehe ich ins Internetcafé um Mails zu beantworten und den Wetterbericht runterzuladen. Zurück aufs Schiff. Wir essen einen Salat und Martin legt sich gleich wieder hin. Ich mache einen Ausflug zu dem Strand, zu dem Bénédicte, Olivier, Barbara und Wolfgang mit den Kindern gehen. Die Playa de la Cueva ist ein hübscher kleiner Strand.

   
Playa de   la Cueva   Schmusekater


Danach schlendere ich in die Stadt, um den Besuch des Königs und der Königin nicht zu verpassen. Der König wird heute auf La Gomera ein Denkmal enthüllen. Da haben wir ja den richtigen Zeitpunkt für diese Insel erwischt! Ich befinde mich zwischen ein paar älteren Damen, die nach der Parade diskutieren, dass das Königspaar im Fernsehen viel jünger und frischer aussehe: kein Wunder, meint eine, da werden sie ja auch professionell geschminkt!

   
Warten auf das Königspaar   El Rey y la Reina   Calle Real danach


Freitag bezahle ich unseren Platz auf der Capitanía. Sie rufen nochmals in Santa Cruz de Tenerife an, um zu bestätigen, dass wir in zwei Tagen dort eintreffen werden. Ich verabschiede uns von Bénédicte, Olivier und Familie sowie von Alfred, der mich gleich begleitet, um unsere Leinen zu lösen. Auch Wolfgang von der Dicken Bank geht uns zur Hand, so dass mir gar nichts mehr zu tun übrig bleibt, als allen zu winken. Martin kümmert sich um den Wassermacher, ich überwache unsere Route. Martin entdeckt im Schüttstein im Badezimmer eine Kakerlake! Das wäre wohl nicht nötig. Ich bin froh, dass ihm das Vieh begegnet ist und nicht mir. Ich hätte einen hysterischen Anfall bekommen. Martin fängt die Kakerlake mit einem Haushaltpapier ein und schmeisst sie über Bord. Man darf die Viecher auf keinen Fall zerquetschen, da sonst noch Eier aus dem Leib quellen..... Hoffentlich handelte es sich um einen Einzelfall!!! Drückt uns die Daumen.

   
Auf dem Meer    

Während den ersten zwei Stunden haben wir schönen Wind zum Segeln, danach müssen wir wieder mal motoren. Ich hänge den Köder raus. Ein Fisch beisst an, doch leider gelingt es mir nicht, ihn bis zum Schiff zu bringen. Er macht sich vorher los und ich kann nur noch den leeren Köder bewundern. Sooo schade. Gegen 18h00 kommen wir im Hafen San Miguel de Abona an. Es hat eine gemütliche Bar, die schon ganz karibisches Ambiente verbreitet, und so trinken wir dort ein Bier, bevor es auf Suleika Znacht gibt.

Am Samstag beschliessen wir, die Strecke aufzuteilen und mal bis in die Bucht Bahía de Abona zu fahren. Die erste halbe Stunde haben wir herrlichen Wind und flitzen über das Meer, dann schläft der Wind ein, um als Gegenwind wieder zu erwachen... In der Bucht angekommen, hat es ziemlichen Schwell und Suleika liegt alles andere als ruhig.

   
Vor Anker in der Bahla de Abona    

Während Fränzi und David am Polyball die Nacht durchtanzen, tanzt Suleika aus Sympathie zu ihnen auf den Wellen zum Rhythmus der Brandung. Das ganze nimmt Ausmasse an, dass Martin bis Mitternacht kein Auge schliesst und selbst ich aus meinem tiefen Schlaf erwache, weil die Ankerkette derart laut über den felsigen Grund schrammt und die Leine, welche die Ankerkette entlasten soll, unangenehm und äusserst vernehmlich quietscht. Ich klettere im Nachthemd aus der Luke, um das Ankergeschirr zu kontrollieren. Alles in bester Ordnung. Nun kann auch Martin schlafen. Als wir noch vor Sonnenaufgang erwachen, freuen wir uns aufs Weiterfahren. Gerade erholsam war diese Nacht echt nicht.

Heute, Sonntag, ist der grosse Tag der Temptation: die ARC (Atlantic Ralley for Cruisers) startet zur Atlantiküberquerung. Geistig begleiten wir ihren Start und freuen uns bereits auf unseren eigenen. Davor gilt es, noch ein paar Dinge zu erledigen. Also tuckern wir los Richtung Santa Cruz de Tenerife. Mit Gegenwind. Unterwegs füllen wir acht leere Petflaschen mit Salzwasser, da wir im Hafen nochmals unseren Wassermacher ausprobieren werden, der immer noch zuviel Luft ansaugt. Auch sind wir tapfer am Fischen, nur überzeugen wir die Fische leider nicht anzubeissen. Schade. Gerne hätten wir uns ein Fischfilet zum Znacht gegönnt. Wir erhalten einen Superplatz in der Marina del Atlántico und kochen – in Ermangelung von frischem Eiweiss – Spaghetti Bolognese mit Corned Beef. Tja... auch nicht schlecht. Die Umgebung ist schön. Die bizarr geformten Berge geben eine malerischen Hintergrund ab.

   
Auditorium von Santa Cruz de Tenerife   und Industrie   Suleika in der Marina del Atlantico


Am Montagmorgen ruft Martin Herrn Schneider von der TO–Basis an (TO = Trans Ocean, deutsche Seglervereinigung), um zu erfahren, ob er Post für uns hat. Oh ja. Wir machen ab, dass wir am Nachmittag bei ihm vorbeischauen. Als wir im Cockpit beim Zmittag sitzen, schaut ein Segler vorbei und richtet uns aus, Herr Schneider werde morgen bei uns vorbeischauen. Wir sind erstaunt, nehmen das aber zur Kenntnis. Also Programmänderung: wir werden am Nachmittag bei sämtlichen Shipchandlern vorbeischauen und unsere diversen Bedürfnisse zu stillen versuchen. Was Karten und Führer anbetrifft, werden wir fündig. Wenn auch nicht zu hundert Prozent, so doch. Schon lange sind wir nicht mehr durch eine richtige Stadt mit tiefen Strassenschluchten gelaufen.

   
Gutes kanarisches Bier   Altehrwürdiges Segelschiff  

Leider bauen sie den Hauptplatz gerade um. Aufgrund der Pläne wird es sehr schön werden. Herr Schneider ruft uns auf dem Natel an, ob wir nicht gesagt hätten, wir kämen vorbei... Wir klären das Missverständnis und er wird morgen bei uns auf der Suleika vorbeischauen. Peinlich. Wir trinken in einer lustigen Bar ein Bier auf dem Heimweg und machen es uns daheim gemütlich.

Der Morgen ist dem Aufgleisen der Revision unserer Rettungsinsel gewidmet, nachdem wir gestern herausgefunden haben, dass der Erwerb einer kleineren äusserst köstlich, das Ganze nur drei Kilo leichter wäre und der Koffer die gleiche Grösse hätte. Wir machen mit einem Shipchandler ab, dass er die Rettungsinsel morgen abholen kommt. Dauer der Revision: zwischen zehn und fünfzehn Tagen. Zurück auf dem Schiff unterhalten wir uns mit unseren französischen Nachbarn von der Arlequin II. Sie haben eben auch ihre Rettungsinsel revidieren lassen und zwar von der Firma Inprecasa, spezialisiert auf Revisionen. Sofort rufen wir im Geschäft an und sagen unseren vereinbarten Termin für morgen ab, da die Revisionsstelle nur zwei bis drei Tage braucht statt zehn bis fünfzehn! Als unseren Nachbarn die revidierte Rettungsinsel geliefert wird, sprechen wir den Chef an und machen ab, dass er unsere morgen holen kommt. Genial. Kurz darauf trifft Herr Schneider vom TO mit unserer Post ein. Wir fragen ihn wegen dem Kauf von Solarzellen und unterhalten uns über die Rettungsinselrevision. Danach verlässt er uns wieder und wir machen uns über unsere Post her. Die Weihnachtsguetzli von Mami sind unschlagbar! Sofort müssen wir von jeder Sorte eines probieren und alle sind soooo fein. Vielen Dank!

   
Mamis Guetsli sind die besten!    

Ulla versorgt uns mit Lesestoff und Dorothee hat zur Bankkarte Bündnerfleisch gepackt. Dieses verschwindet mehr oder weniger augenblicklich unter Ausstossen von grossen Genussseufzern. Vor dem Essen wird jede einzelne Scheibe ausgiebig beschnüffelt. (Müsst Ihr auch mal ausprobieren. Bünderfleisch riecht lecker). Von Christine und Frank haben wir eine wunderschöne Weihnachtskarte erhalten. Es ist vermutlich schwierig, daheim nachzuvollziehen, wie viel Freude Post machen kann. Wenn es nicht mehr so ist, dass der Briefkasten täglich überquillt, sondern so, dass Papierpost Seltenheitswert erlangt und nur erfreuliche Sachen ankommen! Euch allen herzlichen Dank. Martin klemmt sich noch einmal hinter den Wassermacher und ich assistiere ihm.