Logbuch
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Lagos und Marokko
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Freitag, 11. – Dienstag, 22. August 2006

Zu Beginn ein kleiner Nachtrag zum letzten Logbucheintrag. Da die Ohrringe – das erste auf der mit Lötkolben ausgerüsteten Suleika hergestellte Schmuckstück – in der Zwischenzeit die Geburtstagsfrau erreicht haben, können wir nun ein Foto davon veröffentlichen.

   
Ohrringe aus Sulkeikakollektion   Vierhändig gelötet  

Am Freitagmorgen ziehen wir los zum Shipchandler und kaufen eine neue Gasflasche, ein Inox–Vorhängeschloss als Ersatz für das Schloss, das wir nicht mehr vom Rost befreien konnten, sondern mit dem Wantenschneider aufknackten.. sowie ein neues Bleigewicht zum Fischen (vielleicht nützt es ja was). Nachmittags flanieren wir durch Lagos und lädelen wie echte Touristen. Ein herrliches Gefühl. Danach revidieren wir eine Winsch. Als wir so draussen im Cockpit sitzen, stellen wir fest, dass Ebbe und Flut zur Zeit im Hafen sehr ausgeprägt sichtbar sind. Zum Abendessen geniessen wir ein superfeines Stück Rindfleisch.

   
Ebbe   und Flut  

Samstag ist Markttag. Wir posten frische Früchte und Gemüse, haben diesmal auch den Fotoapparat schussbereit und fangen ein paar Marktszenen ein. Früchte und Gemüse unterscheiden sich nicht so stark vom Marktangebot daheim in Oerlikon. Allerdings die lebendigen Hühner, Kaninchen und Enten sind wir uns weniger gewohnt. Am Nachmittag gilt es, drei weitere Winschen zu revidieren. Danach kaufen wir auch noch im grossen Supermarkt in Hafennähe ein, was wir auf dem Markt nicht kriegten.

   
Buntes   lebendiges   Markttreiben in Lagos


Am nächsten Tag heisst es wieder mal Wäsche waschen. Martin zerlegt in dieser Zeit die Winsch am Mast vorne. Eindeutig heikler in der Handhabung, da sie ja schräg und weit weg vom Deck am Mast montiert ist. Es fallen zwar zweimal Teile runter, bleiben aber zum Glück auf Deck liegen. Ich assistiere ihm beim Zusammenbauen, da vier Hände dazu nicht zuviel sind. Zum Znacht kochen wir uns – motiviert durch einen Brief von Mami – heimatliche Käseschnitten.

Montags hören wir neue Wetterberichtstationen als Vorbereitung für den Sprung nach Marokko. Da werden wir keine von der Marina ausgedruckten Wetterberichte mehr vorfinden und müssen uns dann selber helfen. Bei Radio France Internationale und Radio Monaco haben wir guten Empfang. Am Nachmittag besuchen wir das Internetcafé und dürfen beide eine ganze Stunde an je einem Computer bleiben, da es wenig Leute hat. Genial.

Anderntags schlafen wir ausgiebig aus und nehmen das Morgenessen im Cockpit ein. Kaum alles verräumt, werden wir vom Steg gegenüber angerufen. Die Temptation ist eben eingelaufen! Was für eine Überraschung. Mit Chris und Fritz Voss sind wir seit einem knappen Jahr im Emailkontakt, ohne uns persönlich zu kennen. Wir planten, uns auf den Kanaren kennen zu lernen. Da sie keine guten Winde hatte um ihr Wunschziel, Madeira, zu erreichen, sind sie etappenweise weiter nach Süden gesegelt. Uns fehlte der Wind um nach Marokko überzusetzen, so dass wir uns jetzt treffen. Wir laden sie umgehend auf ein Ankerbier ein und es ist, als ob wir alte Freunde träfen. Sooo schön. Chris und Fritz gehen in die Stadt, während dem Martin Suleika abspritzt und ich seine Jeans flicke. Danach putze ich alle Luken und die Fenster der Sprayhood. Das war dringend nötig und wir geniessen den frisch gewonnen Durchblick! Zum Sundowner sind wir auf der Temptation eingeladen. Da lernen wir auch die Bordkatzen kennen: Flocke, eine alte, blinde Perserkatze und Mea, eine echte Kartäuser. Der Abend zu viert ist super gemütlich.

   
Chris und Fritz auf der Temptation   mit Flocke   und Mea


Dienstagmorgen nähe ich einen Netzsack für die Orangen und Martin arbeitet am Computer. Den ganzen Tag regnet es immer wieder und es ist ziemlich kühl. Gemäss Aussage des portugiesischen Bootnachbars von Chris und Fritz kommt beides in der Algarve im Sommer NIE vor... Wir laden Chris und Fritz zu einem Apéro ein und sind wieder mal total motiviert, unsere Schinkengipfel zum Besten zu geben. Also nichts wie los zum Einkaufen der Ingredienzien. Der Blätterteig ist wie immer eine Überraschung. Diesmal kommt er aus Frankreich und ist hauchdünn. Zu unserem Erstaunen ist das für die Schinkengipfel sehr gut geeignet und unsere Backkunst wird von Chris und Fritz geschätzt. Wir verbringen einen angeregten Abend mit guten Gesprächen.

   
Schinkengipfeli   Produktion  

Am nächsten Morgen sind Fritz und Martin auf Suleika mit dem Computer beschäftigt und ich mache mich auf den Weg zur Temptation, um mit Chris zu schwatzen. Zwar halte ich sie vom Logbuchbericht schreiben ab, doch stört sie das wenig. Nach einem Salat auf Suleika zum Zmittag ziehe ich mit der Kamera in die Stadt.

   
Forte Ponta da Bandeira   und daneben der Strand   Fotomodell


Danach suche ich den Friedhof auf. Er ist riesig mit eindrücklich vielen Steingräbern. Zwischen den Gräbern gibt es fast keinen Platz zum Gehen und alles ist ziemlich sandig und staubig. Es gibt auch eine Abteilung von gefallenen Soldaten und lange Wände voller Urnengräber.

   
Friedhof von Lagos   Hauptgasse   und Grabstein


Der Freitag ist den letzten Vorbereitungen gewidmet, da aufgrund der Wetterlage klar ist, dass morgen die Suleika nach Marokko und die Temptation Richtung Madeira ablegen. Am Morgen regnet es heftig, so das richtige Wetter um den Haushalt auf Vordermann zu bringen. Ich koche zwei Essen vor – zum Glück hat Martin daran gedacht, dass wir das tun wollten vor grossen Schlägen – damit wir dann nicht Verhungern, falls das Meer unruhig ist (dann macht Kochen nämlich definitiv keinen Spass). Martin putzt in dieser Zeit das Tridata. Eine Muschel hat sich dort gemütlich eingerichtet, deshalb hatten wir keine Geschwindigkeitsanzeige auf dem Weg vom Ankerplatz zurück nach Lagos. Wir machen das Schiff abfahrtsbereit. Um 19h00 sind wir von Chris und Fritz auswärts zum Essen eingeladen. Im ersten Stock in einem Restaurant in Hafennähe essen wir gegrillte Garnelen mit Knoblauch und danach noch jeder einen Taschenkrebs. So lecker haben wir auf unserer ganzen Reise noch nie gegessen. Ganz lieben Dank Chris und Fritz! Auf dem Heimweg trinken wir noch einen Kaffee mit Brandy und dann nichts wie ab ins Bett, schliesslich ist morgen ein grosser Tag.

   
Küche der Fischbeiz   Chris und Fritz mit Knoblauchgarnelen   Verfressene Bande


Frühe Tagwache. Ich kaufe noch frisches Gemüse und Früchte auf dem Markt ein. Wir verabschieden uns herzlich von Chris und Fritz. Mit der gleichen Brückenöffnung laufen beide Schiffe aus. Wir halten bei der Capitania noch an, weil wir unsere Pässe stempeln lassen müssen, da wir Europa verlassen! Auch füllen wir noch unseren Tank mit Diesel und dann geht es los, hinaus aufs offene Meer. Der Himmel hat noch ein paar Wolken, doch fahren wir denen zusehends davon.

   
Europa ade    

Am Mittag kommt Wind auf und wir können Segel setzen. Das Meer ist sehr bewegt. Abends nach 19h00 – 100 Kilometer vom Land entfernt – paddelt eine einsame Schildkröte an unserem Schiff vorbei. Ganz gemütlich erklimmt sie die Wellenkämme und lässt sich auf der anderen Seite wieder runtertreiben. Wir haben – wie immer – die Fischerrute draussen und hoffen auf einen Fang. Plötzlich fängt sie zu rucken an. Ein Fisch, ein Fisch, rufe ich, folge dem Silch mit meinen Augen und stelle fest: wir haben unseren Windgenerator an der Angel ;–(. Martin kappt den Silch, damit nicht noch mehr Meter auf den Windgenerator aufgewickelt werden und kann den Köder retten. Fürs erste stellen wir das Fischen nun ein. Schade. Zum Glück funktioniert der Windgenerator trotzdem noch. Da haben wir ja noch Schwein gehabt.

   
Sonnenuntergang auf offenem Meer   Vor dem Wind  

Die ganze Nacht ist das Meer unruhig, dafür haben wir sehr wenig Schiffsverkehr und der Wind ist herrlich zum Segeln. Wir kommen gut voran. Am Sonntag sehen wir im Abstand von mehreren Stunden nochmals zwei Schildkröten, allerdings schwimmen die nicht so nah am Boot vorbei wie die erste. Das Wetter ist strahlend, der Wind ist uns gut gesinnt. Ich sehe mal einen Fisch springen. Wir flitzen ganz zufrieden Richtung Afrika. Auch die zweite Nacht gibt es auf meiner Wache nicht viele Schiffe. Martin hat eine Phase, wo sich gleichzeitig fünf Schiffe abzeichnen. Dann ist man immer froh, wenn man erkannt hat, in welche Richtung die einzelnen Schiffe steuern und ob sie unserem Kurs nahe kommen oder nicht.

Am Montagnachmittag erreichen wir Mahommedia gegen 16h00. Wir werden sehr freundlich empfangen und bekommen einen Platz am Schwimmponton zugewiesen. Kaum haben wir die Leinen festgemacht, ist auch schon der erste Maritimpolizist an Bord. Nach einer kurzen Pause erscheinen die Zivilpolizei, der Zoll und die Hafenbehörde in Form von drei Männern. Es gibt ein paar Formulare auszufüllen und der Kapitän muss unterschriftlich bestätigen, dass wir weder Waffen noch Munition an Bord haben. Sie nehmen unsere Pässe und die Schiffspapiere mit. Auch macht uns der nette Mann von der Hafenbehörde darauf aufmerksam, dass wir den Hafen per Funk hätten anrufen sollen. Leider fehlte ein entsprechender Hinweis in unserem Hafenführer. Alle sind ausgesprochen höflich und zuvorkommend. Eine Weile später bringen sie uns die Pässe mit Passagierscheinen zurück. Die Passagierscheine brauchen wir, um den Hafen verlassen zu können und uns auszuweisen, falls jemand danach fragt. Wir sind viel zu müde, um noch am gleichen Tag Mohammedia anzuschauen. Früh legen wir uns in die Koje und geniessen es, die ganze Nacht ohne Unterbrechung schlafen zu können.

Um sechs Uhr geht die Sonne auf und eine Stunde später stehen wir auf. Wir machen uns zu Fuss auf den Weg in die Stadt. Der Hafenpolizist, welcher uns die Passagierscheine gebracht hat, fährt uns mit seinem Auto zur Bank, da er gesehen hat, dass Martin nicht so gut zu Fuss ist. Da wir viel über Bakschisch gelesen und uns extra mit zwei Stangen Zigaretten ausgerüstet haben, bieten wir ihm ein Paket Zigaretten als Dank an. Er lehnt das höflich ab. Auf der Bank hat es jede Menge Leute und eine Riesenkolonne. Martin erkundigt sich, ob wir am richtigen Ort anstehen und kriegt den Tipp, auf die Post zu gehen, da sie dort auch Geld wechseln und es weniger Leute hat. Wir machen uns also auf die Suche nach der Post. Dort hat es zwar weniger Leute, dafür ist das Ganze ziemlich chaotisch. Wir erkundigen uns, welche Schalter Geld wechseln. Stehen an einem der genannten an. Werden von dort zu einem anderen Schalter geschickt, wo Martin in Erfahrung bringt, dass der Mann, der Geld wechselt, jetzt nicht da ist und also auch kein Geld gewechselt werden kann. Zurück zur Bank. Ich reihe mich in die Warteschlange und Martin setzt sich auf einen der Stühle für Wartende. Nach geraumer Zeit sind wir im Besitz unserer ersten Dirhams. Auf dem Weg zur Kasba (befestigter Stadtteil) kehren wir ein und essen ein Plat garni mit Merguez. Echt fein. Danach erkunden wir die Kasba, kaufen Früchte und Brot ein und machen uns mit einem Petit Taxi auf den Heimweg. Die Eindrücke von unserem ersten Stadttrip sind vielfältig.

   
Mmmh!   Tor zur Kasba   Marktstand


Wir haben vereinzelt verschleierte Frauen gesehen bis hin zu den jungen Marokkanerinnen, die genau wie bei uns in knallengen Jeans und knappen T–Shirts gekleidet gehen. Allerdings gibt es auch bei den Jungen viele, die traditionell gekleidet sind, was ihnen – aus unserer Sicht – besser steht und ihnen eine eigene Eleganz verleiht. Zurück auf dem Schiff kümmern wir uns um unseren Windgenerator. Wir montieren die Flügel ab und befreien die Welle von meterlangem Silch. Dies gelingt uns zu etwa achtundneunzig Prozent. Wir hoffen, dass der Windgenerator keinen bleibenden Schaden genommen hat.