Logbuch
Seite 34
Vilamoura und Lagos
<< Seite 33
Seite 35 >>
Sonntag, 23. Juli – Mittwoch, 2. August 2006

In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wird – von uns aus leider hinter dem grossen Hotel – ein riesiges Feuerwerk gestartet. Leider sehe ich, als ich wegen der Chlöpferei aus dem Bett gekrochen bin, nur den obersten Teil und lege mich halb verrichteter Dinge wieder hin. Am Sonntag kontrollieren wir die Salzwasserkühlung unseres Motors. Der Filter ist zu zwei Dritteln abgefüllt mit Seegras aus dem Bojenfeld vor Faro... Aber, oh Zeichen, oh Wunder: Der Impeller ist einmal mehr in tadellosem Zustand. Das freut unsere Herzen immer ganz besonders (kein Wunder bei unserer Impellervergangenheit...). Martin unternimmt den Versuch, unseren Schalt– und Gashebel zu revidieren, der seit einiger Zeit klemmt. Trotz sorgfältigster Vorgehensweise und mehrfacher Behandlung mit WD40 bricht leider am Gehäuse eine der Schrauben ab. So ein Pech! Martin säubert die ganzen Innereien und stellt fest, dass in dem Gehäuse alles rund läuft. Das Problem liegt weiter "unten". Mission erfolglos beendet.

   
Seegras im Salzwasserfilter   Innenleben von Gas– und Schalthebel  

Den Montagmorgen widmet Martin der Administration, d.h. er führt im Logbuch und unserem grauen Büchlein nach, was wir alles an Arbeiten an Suleika verrichtet haben. Auch trägt er die von uns durchgeführte Motorenrevision im Servicehandbuch des Motors ein. Ich lese. Nachmittags versetzen wir mit Suleika zur Capitanía und holen bei der Volvovertretung die bestellten Filter und das Öl ab. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Firma Murtanáutica vollkommen überrissene Preise berechnet: wir bezahlen 40 Euro mehr als je zuvor für dieselben Dinge. Nicht gerade erfreulich. Wir besuchen noch das Internetcafé und backen zum Znacht eine Zwiebelwähe. Soooo fein.

   
Abendstimmung in Vilamoura    

Endlich habe ich am Dienstag wieder mal genügend Musse, um mich Anninas Gedichten und deren Übersetzung widmen zu können. Das ist immer ein besonderes Vergnügen für mich. Martin studiert Karte und Führer, um unsere Weiterfahrt nach Lagos zu planen. Ich flicke meinen Bordschuh und Martin arbeitet sich zum Motor vor, da ihm der Schalt– und Gashebel keine Ruhe lässt. Ich assistiere ihm bei seiner Revision und nachdem er beim Motor die Verbindung zum Schalthebel gefettet hat, läuft das Ding um Grössenordnungen besser als vorher. Gute Sache!

   
Wieder einmal am Mechen    

Am Abend laden wir den Wetterbericht vom Navtex herunter. Sie geben eine Warnung heraus: In der Strasse von Gibraltar treibt ein toter Walfisch. Zum Glück war der nicht dort, als wir die Strasse durchfuhren.

Am Mittwoch stehen wir zeitig auf, posten eine Gasflasche zum Kochen, zahlen unseren Platz auf der Capitanía und los geht es. Der Wind ist traumhaft und wir ergeben uns während viereinhalb Stunden der herrlichsten Seglerei. Da der Wind von da kommt, wo wir hinwollen, kreuzen wir mit Windfahnensteuerung, wir haben ja Zeit. Eine Position bringt uns in die Realität zurück: nur sieben Meilen in der richtigen Richtung. Während des Segelns haben wir auch unsere Angelrute draussen und sind – da wir mehrere Fischerboote treffen – voller Hoffnung auf einen Fang. Doch als wir feststellen, wo wir sind, heisst es, Segel rein und mit Motor gegen Wind und Wellen ankämpfen. Da ziehen wir auch die Angelrute ein, da die Zeit knapp werden könnte, wenn wir es noch bis Lagos schaffen wollen.

   
Segeln   Motoren gegen Wind und Wellen  

Die Sonne ist gerade am Untergehen, als wir in den Kanal zum Hafen einlaufen. Es ist schon nach neun und um zehn Uhr wird die Brücke nicht mehr geöffnet, um in den eigentlichen Hafen einlaufen zu können. Wir schaffen es gerade noch, rechtzeitig einzuchecken. Benachbarte Franzosen helfen uns beim Anlegen. Wir kochen noch was und legen uns schlafen.

In Lagos ist es – wegen des fast dauernd wehenden Nordwindes – deutlich kühler als in Vilamoura. Martin spritzt Suleika ab – nach mehr als neun Stunden auf dem Atlantik hat sie das dringend nötig – und ich beantworte in dieser Zeit ein paar Mails. Wir unternehmen eine erste Erkundungstour durch die Stadt. Sie ist sehr hügelig und an vielen Orten mit wunderschönen Pflastersteinmosaiken verziert.

   
Schöne   Pflaster   in Lagos


Die alte Stadtmauer ist eindrücklich. Im ehemaligen Waffenarsenal sehen wir eine Ausstellung der deutschen Malerin Kerstin Wagner. Es gibt Bilder, die uns ausgezeichnet gefallen, doch passen die Formate einfach nicht in den Suleikabauch... Im ehemaligen Sklavenmarkt, ein düsteres Kapitel der portugiesischen Geschichte, findet eine Ausstellung von Mosaikporträts statt. Wir kaufen ein und frieren (!) auf dem Heimweg. Wir essen drinnen, da es im Cockpit definitiv zu sehr zieht und schauen uns ein DVD von Fränzi und Brigitte an: Snow White. Witzig, Zürich im Heimkino anschauen zu können und unseren eigenen Dialekt zu hören.

Am Freitagmorgen kommt wieder mal die Nähmaschine zum Zug und ich flicke meinen Jupe. Martin kontrolliert in der Zeit den Getriebe– und Motorenölstand. Alles in bester Ordnung. Nachmittags flanieren wir durch die Stadt, schauen in die vielen Boutiquen rein und ergötzen uns wie die andern Touristen auch.

   
Praça Luís de Camões   Typisches Kamin der Algarve   Schmiedeisernes


Das Pflaster ist total ausgelatscht und mit den Flipflops muss ich dauernd darauf achten, nicht auszurutschen. Martin ist froh, dass die Krücken in den Zwischenräumen der einzelnen Pflastersteine Halt finden, da die Oberfläche ganz speckig und glitschig ist. Auf dem Praça Gil Eanes hat es eine ansprechende Skulptur. Gil Eanes ist von Lagos im Jahr 1434 aufgebrochen, um das Cap Bojador an der westafrikanischen Küste zu passieren. Die damaligen portugiesischen Seefahrer glaubten, dass Schiffe, welches dieses Cap passiert hatten, nie wieder in den Norden zurückkehren konnten. Gil Eanes hat diesen Aberglauben widerlegt. Etwas ausserhalb des Zentrums des Hauptplatzes liegt ein wunderschöner Frauentorso aus Marmor im Gras.

   
Skulptur auf dem Gil–Eanes–Platz   Torso  

Am Samstag gehen wir auf den Markt, der in zwei überdeckten Hallen neben dem Busbahnhof aufgebaut ist. Hier herrscht ein buntes Treiben. Das Gemüse und die Früchte verlocken einem zum Kauf, die lebenden Tauben und Perlhühner etwas weniger. Auch probieren wir hier zum ersten Mal den berühmten Marzipan aus Lagos und er ist wirklich ausgezeichnet. Zudem machen sie kleine Kunstwerke daraus: Körbchen mit bunten Blumen oder Früchten und Gemüse drin. Die reinste Augenweide. Aber auch der Geschmackssinn kommt zum Zug. Bei unserem Stadtgang finde ich auch einen Ersatz für die versunkene Lesebrille. Nicht ganz so schön und bequem wie das erste Modell, aber immerhin kann ich damit lesen. Wir besuchen das Ortsmuseum und die Kirche vom Heiligen Antonio.

   
Ausblick aus dem Ortsmuseum   Aufmerksamer Wächter  

Abends machen wir uns auf, um der dreitägigen Süssigkeitenmesse einen Besuch abzustatten. Zwei Riesenzelte voller Stände, die ausschliesslich Marzipan, Torten und Kuchen verkaufen. Wie im Schlaraffenland. Martin beginnt mit einer Marzipanbirne und ich koste etwas, das Don Rodrigo heisst. Ich weiss auch jetzt nicht, was es war, aber es war süss und ganz vorzüglich im Geschmack. Kann ich nur empfehlen. Zudem sind die Dinger in bunte Staniolpapiere eingepackt, die auch die Augen erfreuen. Weiter geht es mit einem Nidelküchlein und einem Stück Rahmtorte. Da kommen wir schon an die Grenze unserer Süssigkeitenkapazität und schlendern weiter über das Festgelände. Als Kontrapunkt verleiben wir uns ein Wurstbrötli mir Chorizo ein. Dann gehen wir uns das Konzert anhören, bei welchem ein portugiesischer Sänger mit Band auftritt. Von seinem Speech verstehen wir fast gar nichts. Zwischendurch lässt er einen jungen Rapper einen Song singen. Super. Wir gehen vor dem Ende des Konzerts, weil auch hier der Nordwind kräftig bläst und das ganze eine Freilichtaufführung ist.

Der Sonntag ist ein Schiffstag mit Ausschlafen und üben, wie wir den Spibaum setzen werden. Martin hat neue Leinen installiert und ich muss nun sehen, dass ich damit zurecht komme. Im Hafen ist das immer einfach, draussen sieht es dann etwas anders aus. Daher ist üben genau das Richtige. Den Nachmittag verbringen wir mit Führer lesen und Feilen an dem Silberring, den ich in Zürich gegossen habe. Das Modell war eine gemeinsame Entwicklung von Martin und mir. Erst mit der Zeit ist mir aufgefallen, dass der Ring sehr einem Impeller ähnelt. So nimmt das Leben Einfluss auf die Kreativität.

   
Suleika in Lagos    

Montags nehmen wir am Busbahnhof den Bus Richtung Sagres, um im Intermarché einkaufen zu gehen. Der Laden ist gross und gut sortiert. Wir finden den gesuchten Ersatz für unsere Wasserschlauchdüse. Die Düse, die wir bis anhin benutzten, ist kaputt gegangen. Als wir zurück zum Schiff wollen, kann uns niemand sagen, wann wieder ein Bus fährt, und die uns beschriebene Haltestelle des Minibusses, der alle zwanzig Minuten verkehrt, finden wir auch nicht. So beschliessen wir, zu Fuss zu gehen. Und entdecken, welch Glück, das Gratisinternetcafé von Lagos, wo wir eine halbe Stunde nützen können, um unseren letzten Bericht samt Fotos und unsere aktuelle Position anzusehen. Genial! Abends auf dem Schiff schauen wir uns ein weiteres DVD von Fränzi und Brigitte an: einen herrlichen Bollywoodstreifen. Soooo schön.

   
Busbahnhof    

Anderntags ist Martin wieder mit dem Nordafrikaführer beschäftigt und ich nähe mir ein neues Oberteil aus einem T–Shirt von Martin, das in der Wäsche eingegangen ist und ihm nun nicht mehr passt. Ich gehe einkaufen und am Nachmittag üben wir das Ausbaumen des Spibaums auch noch auf die andere Seite. Es klappt ziemlich gut. Danach konzentrieren wir uns aufs Lesen.

Am Mittwoch stehen wir früh auf. Nach dem Morgenessen besuchen wir unsere Nachbarn gegenüber am andern Steg. Ein deutsches Ehepaar, welche gestern mit ihrem Schiff Christine reingekommen sind. Wir fragen an, ob sie gerne lesen. Da sie bejahen, schenken wir ihnen einen Sack Bücher. Denn mit der neuen Ladung Bücher aus der Schweiz haben wir einfach ein Platzproblem und müssen die gleiche Anzahl weitergeben. Die beiden freuen sich riesig und das stellt uns natürlich auf. Zum Dank kriegen wir einen Führer für die portugiesische Küste geschenkt. Echt toll. Wir erkundigen uns auch noch, wo hier die guten Ankerplätze sind und unterhalten uns überhaupt sehr gut und angeregt mit Margrit und Detlef. Auch kriegen wir ein feines, kühles Glas grünen Weins zu trinken. Anschliessend gehe ich Wäsche waschen und lerne dort zwei Spanier von Gran Canaria kennen, die dabei sind, ein Schiff von Frankreich auf die Kanaren zu überführen und jetzt in Lagos Zwischenhalt machen, weil die Wellen so riesig sind im Moment. Wenn sich das Meer beruhigt, werden sie nach Madeira weitersegeln. Detlef kommt vorbei und fragt an, ob wir heute nicht zu viert Nachtessen gehen wollen. Wir nehmen das Angebot gerne an. Sie kennen ein gutes, preiswertes Restaurant. Es verfügt über einen Riesensaal, in dem eine angenehme Stimmung herrscht. Sowohl unsere grillierten Fische als auch der Hauswein sind sehr fein und wir geniessen den Abend. Zum Abschluss laden wir sie noch auf einen Drink auf unser Schiff ein.

   
Margrit, Detlef und Ariane