Logbuch
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Strasse von Gibraltar, Rio Guadalquivir und Sevilla
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Montag, 8. – Montag, 22. Mai 2006

Der Montag ist wieder mal ein Tag, den wir mehrheitlich unserem Logbucheintrag widmen. Daneben legen wir noch kurz ab und fahren Diesel tanken, Brian hilft uns, wieder anzulegen in der Marina. Am Abend laden wir Brian nochmals zum Znacht ein, da er morgen nach England fliegt um zu arbeiten und Rhoda schon so schön geputzt hat, dass kochen nicht in Frage kommt :).

Am nächsten Tag erstellen wir eine Liste, was wir in Gibraltar alles erledigt haben bezüglich Suleika. Ich nähe aus unserem Antirutschmattenvorrat noch "Schlüttli" für unsere Weingläser und unsere Müeslischäleli. Hoffen wir, dass diese helfen, uns unser Geschirr auch unter Segeln länger zu behalten. Wir machen noch einen kurzen Gang in die Stadt und kaufen uns – hoffnungsfroh – ein Fischbestimmungsbuch, in dem es auch kleine Rezepte gibt. Nicht dass wir dann nicht wissen, was wir mit dem ersten Fang beginnen sollen... Der Cockpittisch kriegt von Martin noch neue Schrauben verpasst, da die ursprünglichen sich bereits zum zweiten Mal vollständig gelöst haben.

Am Mittwoch profitiere ich ein letztes Mal vom Markt in La Linea und kaufe einen Stoff, um die heissgeliebte Tasche, die wir von den Hedingern geschenkt gekriegt hatten und die sich langsam aufzulösen beginnt, zu ersetzen. In der Zwischenzeit kontrolliert Martin den Motor, alles ist in bester Ordnung. Wir kreieren aus dem gekauften Netz am Meter unser erstes Gemüse– und Früchtenetz und montieren es oberhalb der Spültröge. Genial! Wir machen das Schiff bereit für die Durchquerung der Strasse von Gibraltar. Als ich als letzte Handlung noch das Logbuch vorbereite, fällt mir ein, dass wir das Tridata noch reinigen wollten, da es bei längeren Liegezeiten immer unter Muschelbefall leidet und uns dann keine Geschwindigkeit anzeigt. Obwohl die Stunde schon fortgeschritten ist, bauen wir das kleine Rädchen aus und siehe da, es lohnt sich! Bei all den Muscheln hätte es keinen Piep von sich gegeben.
Donnerstag ist unser grosse Tag und Tagwache ist um 4h00. Plangemäss werfen wir um 5h30 den Motor an und verlassen Gibraltar bei Nacht und dichtem Gewölk am Himmel. Kaum sind wir aus der Bucht raus, setzen wir das Gross mit zwei Reff. Obwohl im Hafen theoretisch geübt, brauche ich viel zu viel Zeit um die Genua auszubaumen. Aber draussen im grossen Meer sieht immer alles etwas anders aus. Es dauert lange, aber es gelingt dann schliesslich doch noch. Bei Tarifa haben wir ausgesprochen viel Wind und rechte Wellen. Auch erfahren wir nun am eigenen Leib, was "overfalls" resp. Sturzseen sind: Das Mittelmeer ist salziger und in der Meereshöhe einen Meter tiefer als der Atlantische Ozean. Zudem ist das salzigere Wasser schwerer als das andere. So hat es in der Strasse von Gibraltar einen ständigen Fluss von einem Knoten pro Stunde vom Atlantischen Ozean Richtung Mittelmeer. Mit der Flut oder Ebbe (beide mit maximal 2,5 Knoten) gibt es dann zusätzlich eine Strömung, bei Ebbe kurze Zeit eine Gegenströmung. Das schwerere Wasser hat die Tendenz, nach unten zu gehen. Dort, wo Untiefen sind, – beispielsweise in Tarifa – wird das Wasser nach oben gedrückt, und es entstehen solche Sturzseen, die wir als Löcher erlebt haben. Das Meer ist aber immer noch tief (so 50m oder so) und wir fallen nicht auf den Grund! Unser britische Nachbar Brian hat uns von einer Treppenstufe erzählt, als er in die andere Richtung die Strasse von Gibraltar durchquerte. Also im Prinzip das gleiche wie unsere Löcher! War ein ziemlich eindrückliches Erlebnis, vor allem für Martin am Ruder, wenn Suleika macht, was sie will und nicht, was er eigentlich vorgibt. Als wir nach Tarifa der Küste entlang segeln, ballert das Militär ganz gewaltig rum und es tönt ziemlich ungemütlich. Wir hatten im Wetterbericht vernommen, dass Mittwoch und Freitag Schiessübungen in der Strasse von Gibraltar stattfinden, ein Grund mehr, warum wir den Donnerstag zu unserem Tag der Durchquerung auserkoren hatten.

   
Strasse   von Gibraltar  

Vor dem Hafen von Barbate hat es auch noch ein grosses Thunfischnetz, das wir glücklich umschiffen und heil im Hafen landen. An der Wartemole bläst ein heftiger Wind, doch an dem uns zugewiesenen Plätzchen ist es herrlich windstill.

   
Suleika in Barbate    

Einkaufen ist wieder einmal angesagt. Ich spaziere eine gute Viertelstunde durch das Hafengelände, wo ich allerlei Dinge herumliegen sehe, Schiffleichen auf der Wiese liegen und jede Menge rostige, bis mannshohe Anker auf den temporären Einsatz beim Thunfischen warten. In der langen Zeile von Garagen sind auch Läden einquartiert und sogar eine Kapelle für die Fischer. Zurück auf dem Schiff schmeisse ich meine vielgeliebte, mit einem knappen Dutzend Flicken versehene Jeans endgültig weg, da sie gleichzeitig an drei neuen Orten kaputt gehen. Gemeinsam schrubben wir Suleika gründlich sauber: All den Flughafendreck von Gibraltar. Sie erstrahlt in neuem Glanz. Martin montiert den Fischrutenhalter um, da er dem Deckel der Backskiste im Weg ist und ich wasche ein paar Kleider von Hand aus. Als wir abends im Cockpit sitzen, kommen uns Mauersegler besuchen und erzählen uns ihre Geschichte.

   
Kreatives Chaos   Anker für den Thunfischfang   Gut verriegelt


Am Samstag putzen wir das Grosssegel mit Seifenlauge und Bürste (es ist immer noch rot vom Saharasand aus Hyères). Nicht, dass es nun strahlend weiss wäre, aber gebessert hat sich der Zustand eindeutig. Wir ölen die Mastrutscher mit Teflonspray, damit das Gross in Zukunft wieder rasch und hemmungslos herunterkommt, wenn wir das wünschen. Wir nehmen auch zum ersten Mal eine Winsch auseinander, putzen und fetten sie und setzen sie wieder zusammen. Sie funktioniert tadellos.

   
Erste   Winsch –   Revision


Da der Supermarkt geschlossen ist, als ich einkaufen will, mache ich eine kurze Besichtigungstour von Barbate. Einen offenen Supermarkt finde ich, der hat aber weder Früchte noch Gemüse :(. Dafür amüsiere ich mich über all die jungen Männer mit nacktem Oberkörper voller Tatoos, die auf dieser vierräderigen Mischung aus Motorrad und Traktor durch die Strassen blochen, anhalten, mitten auf der Strasse quatschen und mit Riesengetöse weiterziehen... Doch auch ältere Jahrgänge fahren mit der Vespa neben dem Auto eines Bekannten und unterhalten sich ganz gemütlich. Gäbe in Zürich wohl ein Hupkonzert und einen Volksaufstand!
Sonntags ist die Tagwache auf 6h00 gelegt. Wir segeln mit traumhaften Wind mehr als sechs Stunden von Barbate nach Cádiz. Herrlich! Brian, der Brite, hatte uns verraten, dass er eigentlich fast immer mit allen drei Segeln segelt und so probieren wir das auch aus. Suleika läuft federleicht mit drei Segeln übers Meer und wir geniessen das in vollen Zügen.

   
Cabo Trafalgar   Drei   Segel


Auf dem Weg herrscht an einem in der Karte angegebenen Thunfischnetz jede Menge Aktivität. Die Einfahrt nach Cádiz machen wir unter Motor, obwohl Wind genug vorhanden wäre, aber wir sind lieber leicht manövrierfähig, falls ein grosses Schiff in der Fahrrinne auftaucht! Unsere Vorsichtsmassnahme erweist sich als unnötig.

   
Thunfischfang   Puerto América, Cádiz   Gades schaut übers Meer


Wir spazieren gemütlich vom Hafen in die Stadt. Die Strassen sind in der Innenstadt so eng, dass viele Orte verkehrsfrei sind. Herrlich, um zu schlendern. Als wir bei der Kathedrale – die uns schon übers Meer angelacht hatte – angekommen sind, müssen wir leider feststellen, dass sie montags geschlossen ist. Dafür erklimmen wir den Turm und geniessen die Aussicht aus 74 Metern Höhe. Die Stadt ist echt sehenswert. Auf dem Rückweg zum Schiff schauen wir in ein Kellergewölbe, wo die Jugend sich in Flamencotanzen und Rhythmusklatschen übt. Wunderbar.

   
Dekoratives Cádiz   Enge Strassen   und Jesus Christus

   
Patio   Kathedrale von Cádiz  

   
Fassade   Aussicht vom Turm  

Nach einer ruhigen Nacht zieht es uns weiter. Wir freuen uns auf das Segeln nach Chipiona. Aber einmal mehr machen die Wettergötter nicht das, was der Wetterbericht ihnen eigentlich aufgetragen hätte. So motoren wir zur Abwechslung. Wir müssen aufmerksam sein, da es in der Gegend überall Fischernetze gibt und wir in keines reinfahren wollen. Das bringt uns aber auf die Idee, uns selber mal im Fischen zu üben. Als erstes verklemme ich die Spule, so das wir die bereits ausgebrachten zwanzig Meter Silch von Hand einziehen müssen (nicht gerade witzig). Martin kriegt die Spule wieder hin und wir versuchen es nochmals. Kein Fisch beisst an, nur Köderbaden. Na ja, ist immerhin schon mal der erste Schritt in der richtigen Richtung. Vor der Hafeneinfahrt ziehen wir unseren Silch wieder ein, verstauen die Fischerrute und bekommen einen angenehmen Hafenplatz in Chipiona.
Am Mittwoch gehe ich einkaufen und Chipiona auskundschaften. Ein hübsches Städtchen, das eindeutig gewohnt ist, in der Hochsaison Heerscharen von Touristen zu beherbergen. Leider finde ich den Führer für den Rio Guadalquivir in keiner der vorhandenen Buchhandlungen. Dafür gibt es Sonnenblumenkernen und Quinoa zu kaufen (natürlich nicht in den Buchhandlungen). Auch schönes Gemüse und frische Früchte kommen mit aufs Schiff. Der dritthöchste Leuchtturm Europas ist nicht nur vom Meer aus eindrücklich, sondern auch von der Strandpromenade aus. Mit Martins Hilfe nähe ich mal den Stoff zu meiner zukünftigen Duschtasche zusammen. Jetzt müssen wir dann noch einen Weg finden, die Henkel bei der alten Tasche abzumontieren und an der neuen sinnvoll festzumachen. Das wird aber auf später verschoben, da wir nicht allzu spät in die Koje wollen, weil morgen die Reise weitergeht. Wir treffen noch das Schweizer Ehepaar, die wir bereits in Gibraltar kennen gelernt haben und die uns sowohl die Flussfahrt als auch den Besuch von Sevilla wärmstens ans Herz legen. Ein Schotte gibt uns den Tipp, auf der Capitanía nach Informationen für die Flussfahrt zu fragen und wir erhalten – wie er auch schon – fotokopierte Unterlagen, in denen die Reise beschrieben ist und alle Bojen auf dem Fluss genauestens eingezeichnet sind.

   
Iglesia de Ntra. Sra. De la O.   Strand und Leuchtturm  

Gegen Mittag geht es los Richtung Rio Guadalquivir, vorbei an dem auf der Karte eingezeichneten Wrack, das aus dem Meer ragt (finde ich immer ein wenig gruselig).

   
Wrack    

Am Anfang ist unser Tempo ausgesprochen langsam und wir sind unsicher, ob wir das gesteckte Ziel erreichen werden. Doch mit zunehmender Strömung steigt auch unsere Geschwindigkeit. Allerdings fehlt uns der vom Schotten versprochene Wind, der uns landeinwärts blasen sollte, so dass wir die Genua wieder einrollen und einfach nur motoren. Wir kommen an einer riesigen Storchensiedlung vorbei, wo wir mit dem Feldstecher die Störche mit ihren Jungen beobachten können. Auch fahren wir immer wieder an vor Anker liegenden Fischerbooten mit eigenartigen Netzkonstruktionen vorbei. Fischreiher und Raubvögel begleiten unseren Weg und die Fische springen in alle Richtungen, wenn wir vorbeikommen. Hin und wieder kreuzt auch ein Frachter oder ein Containerschiff unseren Weg und lässt unser Schiffchen ganz schön hin und her schaukeln. Kurz vor der Schleuse nach Sevilla verzweigt sich der Fluss und wir ankern in dem Arm, in dem keine grossen Schiffe vorbeikommen. Wir verbringen eine herrlich ruhige Nacht auf dem Fluss.

   
Storchenkolonie   Spezielle Fischerbote  
   
auf dem Río Guadalquivir   Ein Containerschiff auf Überholspur  

Das erste, was wir am nächsten Morgen erspähen, ist ein Storch mit roten Beinen und rotem Schnabel, der auf Nahrungssuche durch das Schilf stakst. Wir geniessen das Grün und die Ruhe und sind erstaunt, das so nahe von Sevilla gefunden zu haben. Wir rufen die Schleuse an und melden unsere Ankunft für die Öffnung um 16h00 an. Ziemlich gespannt machen wir uns auf den Weg. In der riesigen – für die Frachtschiffe vorgesehenen – Schleuse sind wir ganz allein mit unserem kleinen Schiff. Wie im Führer beschrieben, machen wir uns an einer Leiter fest. Der Mann von der Schleuse lässt uns an einer langen Schnur ein Papier herunter und wir füllen aus, wie unser Schiff heisst und dass wir die Brücke auch noch passieren möchten, um im Club Nautico von Sevilla anzulegen. Hinten aus der Schleuse raus, heisst es, die Brücke anrufen, uns anmelden und langsam den Fluss raufschleichen, da die Zugbrücke erst um 17h00 öffnet.

   
Vor der Schleuse   In der Schleuse   Nach der Schleuse

   
Altmetall    

Ein amerikanisches Segelschiff wartet auch schon auf die Öffnung. Da kommt ein Schlauchboot auf uns zu: der Marinero vom Club Nautico, um zu erfahren, wie lange Suleika ist. Er wird uns einen Platz am Ponton zuteilen, wenn wir die Zugbrücke passiert haben. Zufrieden legen wir an. Kaum steht das Schiff still, bricht uns der Schweiss aus allen Poren. Die prophezeite Wärme in Sevilla ist tatsächlich vorhanden und legt uns erst mal lahm.

   
Unser Tor zu Sevilla    

Am Samstag hat Martin Geburtstag und wir flanieren durch die Stadt, essen in einem sympathischen Restaurant was zu Mittag, kaufen uns Stierkampftickets für Sonntag und erleben die Stadt voller Absperrungen, da am Sonntag der Weltmeister der Formel 1 durch Sevilla brausen wird. Am Abend brutzeln wir uns zur Feier des Tages ein feines Fleisch und trinken einen schönen Rioja dazu.
Den Sonntag gehen wir gemütlich an. Ich wasche ein paar Sachen von Hand, da es hier im Club Nautico keine Waschmöglichkeit gibt. Es ist so herrlich warm, dass alles innert kürzester Zeit trocknet und wieder verräumt werden kann. Wir machen uns flott für den Ausgang in den Stierkampf. Martin hat vor Jahren schon einmal einen miterlebt, für mich wird es eine Premiere. Wir sind beide sehr beeindruckt von den Stieren, den Stierkämpfern, den Pferden, die mit verbundenen Augen am Spektakel teilnehmen. Die Stiere tatsächlich sterben zu sehen, ist ein urtümliches und auch etwas gruseliges Erlebnis. Die anwesenden Spanier und Spanierinnen gehen total mit, bei dem was geschieht, und das hat durchaus seine Faszination.

   
Torero   Medhi Savalli   und der tote Stier


Da der Logbuchbericht überfällig ist, muss ich am Montag das Mail schreiben aufschieben und mich endlich hinter den Computer setzen, um diese Zeilen zu verfassen. Es ist fast schade um das schöne Wetter und die Stadt... Dafür gehe ich am Nachmittag im Swimmingpool des Club Nautico schwimmen und bin ganz allein. Der Bademeister muss ausschliesslich für mich am Beckenrand sitzen, bis ich mein Längenpensum absolviert habe. Nachmittags leihen wir uns noch den Führer unseres amerikanischen Nachbars aus, da Martin am Telefon vom Verlag in England erfahren hat, dass der Führer frühestens Mitte Juni rauskommt und der alte vergriffen ist...