Logbuch
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Immer noch in Gibraltar
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Montag, 10. – Sonntag, 23. April 2006

Montags unternehmen wir einen erneuten Versuch, zu unserer Post zu kommen. Gemeinsam fragen wir bei den Hafenbehörden nach. Da stellt sich heraus, dass die Pakete, anders als die Briefpost, nicht in den Hafen geliefert werden, sondern an einer besonderen Paketpoststelle abgeholt werden müssen. Im weiteren erfahren wir, dass die ganze Post zuerst nach England geschickt wird, bevor sie hier in Gibraltar ankommt. Beide Punkte bringen doch etwas Licht in die Angelegenheit. Ich mache mich also auf den Weg zur Paketpost. Dort teilen sie mir mit, dass kein Paket für uns vorhanden sei. Ich stelle mich auf den Standpunkt, dass ich sicher bin, dass mindestens zwei, wenn nicht drei Päckli hier sein müssen. Frustiert zottle ich von dannen. In der Zwischenzeit hat Martin einen Anruf erhalten, dass meine Linsen in La Linea abholbereit sind. Das sind gute Neuigkeiten. Also spaziere ich wieder mal über das Flugfeld, über die Grenze und kann meine Kontaktlinsen in Empfang nehmen. Dazu kriege ich ein Döschen, einen Aufbewahrungs– und einen Reinigungssaft geschenkt. Das ist unglaublich! Ich freue mich riesig und bedanke mich herzlich.

Offenbar hat mein Besuch bei der Paketpoststelle den Stau gelöst. Am Dienstag bekommen wir bei der Hafenbehörde zwei Slips, das sind Scheine, die das Abholen eines Pakets ermöglichen, von Paketen, die schon seit sieben resp. sechs Tagen auf der Post angekommen sind.... Wir gehen in die Stadt unsere Pakete abholen. Das eine sind die Bücher von Ulla und das andere Basler Läckerli von Frank und Christine. Wir freuen uns wie die Kinder an Weihnachten!!! Am Abend gibt es Besuch von Deborah und Brian. Er bringt eine selbstgemachte Pizza mit. Soooo fein. Auch unser selbstgemachtes Guacamole mit den Maischips und ein paar Basler Läckerli zum Dessert finden grossen Anklang. Wir verbringen einen ausgesprochen gemütlichen Abend zu viert.

Aufgrund von Brians Anregung probieren wir am nächsten Morgen das Wireless LAN aus, das hier im Hafen angeboten wird. Es ist uns aber einerseits zu langsam, andererseits ist auch der Empfang in der Suleika drin – wegen dem Aluminium – sehr schwach und draussen an der Sonne erweist sich die Entzifferung, was auf dem Bildschirm zu sehen ist, als ausgesprochen mühsam. Also verzichten wir und werden weiterhin bei dem Nordafrikaner ins Internetcafé gehen. Gegen Mittag spaziere ich nach La Linea zum Einkaufen. Als ich nachmittags auf der Hafenbehörde wegen Post vorbeischaue, erwartet mich ein Riesencouvert von Karin mit Zeitschriften von der Basler Schmuckmesse drin (genial – ich konnte sie ja dieses Jahr nicht beim Besuch der Schmuckmesse begleiten) und ein weiterer Slip aus Deutschland. Ich begebe mich unverzüglich zur Paketpost und kann eine DVD von Annina in Empfang nehmen. Wir freuen uns mächtig über die Überraschung. Nachher heisst es noch ein wenig haushalten. Muss auch sein. In der Wäscherei tausche ich noch ein Buch gegen eine DVD "Addicted to Love" mit Meg Ryan. Eine witzige Liebeskomödie in New York, wie wir später feststellen werden.

Am Donnerstag machen unsere finnischen Nachbarn ihr havariertes Schiff bereit, um es in der Sheppards Marina an Land zu nehmen und flicken zu lassen. Da sie den Motor nicht gebrauchen können, weil das Thunfischnetz, in das sie gefahren sind, die Schraube kaputt gemacht hat, haben sie hinten draussen provisorisch einen Aussenborder montiert und tuckern so gemächlich aus dem Hafen. Ä bösäs Luäge! Für uns ist es ein Gewinn, dass dieses Riesenschiff nicht mehr neben uns steht, da funktioniert unser Funkradio wieder um Grössenordnungen besser. Wir kaufen noch eine feine Leine, damit wir dann unseren Cockpitsichtschutz – so er dann fertig wird – befestigen können und einen Haken fürs Badezimmer. Als wir unseren Führer von Portugal und der spanischen Atlantikküste abholen wollen, ist das Geschäft bereits zu. Richtig, heute ist ja Gründonnerstag. Auf dem Schiff ist es ein Leichtes, die Übersicht über Arbeits– und Feiertage zu verlieren...
Am Karfreitag bläst der Wind uns so kühl um die Ohren, dass wir drinnen frühstücken. Martin arbeitet am Computer und ich lese ein wenig. Um 17h00 starten wir zu viert, Deborah, Brian, Martin und ich, zu Fuss nach La Linea, da wir eine Karfreitagsprozession miterleben möchten. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten – auf unserem Stadtplan haben nicht alle Strassen einen Namen – finden wir die Kirche, von welcher die erste Prozession startet. Es haben sich schon jede Menge Leute davor versammelt und es ist herrlich, diesen Querschnitt durch die spanische Bevölkerung zu betrachten! Die Personen, die in grünen Gewändern an der Prozession teilnehmen werden, sind bereit. Da der Himmel aber noch bedeckt ist und es unklar ist, ob es demnächst zu regnen anfangen wird, verzögert sich der Abmarsch. Wir beobachten das rege Treiben. Nachdem eine Weile verronnen ist, startet die Prozession. Sie tragen ihren Jesus am Kreuz auf einer riesigen Trage, die über und über mit roten Nelken geschmückt ist. Zu einem eigentümlichen Trommelrhythmus bewegen sich die tragenden Männer mit ihren schweren Last rhythmisch balancierend vorwärts. Nachdem wir dem Start aufmerksam gefolgt sind, gönnen wir uns ein Bierchen in einer nahegelegenen Bar. Dort werden die örtlichen Prozessionen am Fernseher übertragen.

   
Alles wartet auf die Prozession   Die Teilnehmenden sind bereit   Es geht los

Als wir ausgetrunken haben, kommt die nächste Prozession vorbei. Diesmal sind die Teilnehmenden in violette Gewänder gekleidet und ihr Jesus hängt am Kreuz über einem Meer von blauen Lilien. Auch nehmen junge Frauen in schwarz gekleidete Spitzen mit eindrücklich geschnitzten Stöcken am Umzug teil. Zum Teil sind sowohl die Träger der Jesusstatue als auch die Frauen, die hinter der Trage mitlaufen, barfuss. Ob dies wohl an die Leiden von Jesus Christus erinnern soll? Soviel Neues aufzunehmen macht hungrig. Deborah erkundigt sich bei einem Einheimischen nach einer guten Tapasbar. Da er wohl den Eindruck hat, wir hätten ihn nicht genau verstanden, führt er uns gleich persönlich hin. Die Tapas sind traumhaft und einmal mehr können wir beobachten, wie spanische Familien mit Kind und Kegel bis spät in der Nacht in Restaurants essen und plaudern. Auf dem Heimweg werden wir von einem Hagelschauer überrascht und suchen unter einem Zitrusbäumchen Schutz. Bei stetem Regenfall überqueren wir die Grenze und die Piste und kommen, klatschnass und zufrieden, um Mitternacht bei unseren Schiffen an. Es war ein gelungener Anlass.
   
Schon kommen die nächsten   Schöne Frauen   Schwere Last

Samstag mache ich meine Einkäufe dies– und jenseits der Grenze. Gemeinsam machen Martin und ich einen erneuten Versuch, unseren Kompass von der Steuersäule abzuschrauben. Diesmal mit Erfolg! Allerdings muss Martin auch hier feststellen, dass die Nullstellung des Steuerrads nicht geht, da die zwischen zwei Zahnradlücken wäre... Pech. So montieren wir das Kabel für die Kompassbeleuchtung neu, schrauben alles wieder fest und wissen nun immerhin, wie das Innere unserer Steuersäule aussieht. Am Ostersonntag nehmen wir es gemütlich. Ich schreibe ein paar Briefe und Martin richtet das Navtexempfangsprogramm am Computer ein. So können wir weitere Wetterberichte erhalten, wenn wir keine Hafenbehörde in der Nähe haben. Eine gute Sache.
   
Innereien unserer Steuersäule   Der Metaxa geht zur Neige  

Am Ostermontag erheben wir uns zeitig, da wir Deborah und Brian die Leinen lösen wollen, die heute nach Smir, Marokko, weiterziehen. Aber das Wetter macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die Winde sind viel zu heftig, so dass sie ihre Abreise um einen Tag verschieben müssen. In Spanien ist der Ostermontag kein Feiertag, da die ganze Woche vor Ostern, die Semana Santa, frei ist. So bringe ich meine Briefe drüben auf die Post. Bin allerdings nicht alleine mit meiner Idee. Es hat eine lange Schlange vor den Schaltern. Die anderen hatten wohl auch Zeit, ihre fällige Korrespondenz zu erledigen. Aber ich habe ja Zeit. Martin ist am Nachmittag noch mit dem Funk beschäftigt und ich beginne mein neues Buch von Peter von Matt "Die Intrige" zu lesen. Faszinierend. Abends schauen wir uns das erste Mal die DVD an, welche uns Annina geschickt hat, "Before night falls". Ein Film über den kubanischen Schriftsteller Reinaldo Arenas. Die Szenen, in welchen die Kubaner Feste feiern, machen uns definitiv noch mehr Lust, nach Kuba zu segeln, als wir eh schon hatten!
Brian kommt kurz vor dem Ablegen noch zu uns rüber und macht Fotos von uns und Suleika. Dann wird es ernst mit ihrer Abreise. Wir lösen ihnen die Leinen und winken. Schade, dass wir die beiden verabschieden müssen. Aber das gehört auch zum Reisen. Wir gehen in die Stadt und essen heute, auf meinen ausdrücklichen Wunsch, Fish and Chips zum Zmittag. Ich habe diese Menü noch nie genossen und da es hier überall angeboten wird, muss ich es doch mal probieren. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es überhaupt möglich ist, Fisch so fettig zuzubereiten. Na ja, jetzt bin ich um eine Erfahrung reicher. Bei der Upholstery erkundigen wir uns nach unserem Cockpitsichtschutz. Er hat das falsche Material geliefert bekommen, so dass es noch eine knappe Woche dauern wird.

   
Chinook,   Deborah   und Brian ade

   
Fish ’n’ Chips    
Am Mittwoch gehen wir zum ersten Mal gemeinsam auf den Wochenmarkt in La Linea und werden fündig: Martin kauft sich einen Sonnenhut und ein neues T–Shirt und ich finde einen schönen Sommerjupe, der unbedingt mit muss. Martin gefällt das Gewusel auf dem Markt genauso gut wie mir. Hier wird Ware angepriesen, in Haufen gewühlt und gekauft. Wir finden auch noch einen Stoff, mit welchem ich eines unserer Kissen im Salon überziehen werde: Buntes Gemüse. Nach dem Marktbesuch gehen wir nochmals in die uns bereits bekannte Tapasbeiz und geniessen die Calamares und den Pulpo mit einem feinen Glas Rotwein. Anschliessend wollen wir unseren Hafenführer abholen. Wir erfahren, dass er frühestens anfangs Mai geliefert werden wird.... Da müssen wir uns was einfallen lassen. Sonst können wir hier nicht weg.

   
Markt in   La Linea   Neuer Hut und neues Shirt


Neben uns liegt – wieder – das britische Schiff "Rhoda", das schon hier war, als wir ankamen und dann für drei Wochen nach Smir, Marokko, segelte. Wir fragen Vater Brian und Sohn William an, ob sie den Portugalführer besitzen, da sie diese Küste runtergekommen sind. Sie leihen und das Buch aus, so dass wir uns für die nächsten zwei, drei Häfen schlau machen können. Bis wir dann in Sevilla sein werden, sollte die Neuausgabe des Führers wohl erhältlich sein. Wir machen einen echten Touristentag, lösen eine Tageskarte für die Buslinien in Gibraltar und fahren mit jeder Linie einmal von Endstation zu Endstation und steigen an einem Knotenpunkt um. Zuerst besuchen wir den Europa Point. Da zieht es ganz kräftig und wir sehen – einmal mehr – das Atlasgebirge von Marokko. In Both Worlds, quasi hinter dem "Rock", gibt es wenig zu sehen. Dafür ist die Aussicht vom Moorish Castle fantastisch. Schade, dass das Castle selbst nicht zugänglich ist wegen Renovationsarbeiten. Wir können gratis ins Naturreservat wandern, weil wir zu Fuss gekommen sind und sie in einer halben Stunde schliessen. Wir erklimmen die Höhen bis zu der Gedenkplatte, dass hier im Jahr 1954 die Queen und ihr Mann über Gibraltar blickten. Eine königliche Aussicht sozusagen. Auf dem Runterweg begegnen wir unseren ersten Affen. Es sieht so aus, als ob sie von einem Ausflug in die Stadt zurückkämen und wieder in den Naturpark zurückkehren, wenn die Touristen endlich das Feld räumen.

   
Leuchtturm Europa Point   Mit Blick auf das Atlasgebirge  

   
Königliche   Aussicht   Blick auf Algeciras

   
Marina Bay und Flugpiste   Suleika in Marina Bay   Unser erster Affe


Am Freitag schlendern wir etwas in Gibraltar herum. Internetcafébesuch ist angesagt. Wir kaufen noch zwei, drei kleine Dinge beim Shipchandler. Zurück auf dem Schiff montiert Martin noch den neuen Haken im Badezimmer und ich flicke seine Jeans, die Marokkofahne, die wir von unseren finnischen Nachbar geschenkt gekriegt haben, weil in ganz Gibraltar keine käuflich erhältlich ist, und dann nähe ich noch den neuen Kissenüberzug. Zum Znacht gibt es einen Wildspargelrisotto.

   
Buntes Gemüse    

Am Samstag backen wir wieder mal unsere Schinkengipfel, da Brian und Will von der Rhoda zu Besuch kommen. Die Dinger klaffen während des Backens auf und sehen ziemlich wild aus. Aber geschmacklich sind sie voll überzeugend und verschwinden entsprechend rasch im Verlauf unseres Gesprächs. Zuerst sitzen wir draussen im Cockpit, doch als immer mehr dicke, graue Wolken die Sonne verdecken, wird es so kühl, dass wir uns in den Schiffsbauch zurückziehen und das Öfelchen anwerfen. Gemütlicher Abend zu viert. Am Sonntagmorgen weckt uns das trauliche Geräusch von den auf das Schiff fallenden Regentropfen. Gut, so komme ich endlich dazu, den längst fälligen Logbuchbericht zu verfassen. Danach können wir die Fotos dazu aussuchen und alles vorbereiten, um es an Dorothee zu versenden.