Logbuch
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Marbella bis Gibraltar
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Donnerstag, 16. – Dienstag, 28. März 2006
Wir verbringen den ganzen Donnerstag in Marbella, gehen gemeinsam ins Internetcafé und trinken auf dem Heimweg zum Hafen noch ein Bier in einer Bar.

   
Park in Marbella    


Am Freitag stehen wir gemütlich auf, legen bei der Capitanía nochmals an, um zu zahlen und motoren dann nach Estepona, da der vorhandene Wind zum Segeln nicht ausreicht. Wieder einmal nicht.... Wir machen einen kleinen Zwischenhalt im Hafen von José Banús, da uns die Sekretärin von Rainer Kraft – Basisleiter von Trans–Ocean – per Mail informiert hat, dass noch ein Brief von meiner Mutter angekommen ist. Ich überrede den Marinero, uns für eine Viertelstunde an der Wartemole zu dulden, trabe zum Büro von Rainer Kraft, nehme meinen Brief in Empfang und trotte zurück. Da stosse ich noch auf ein Geschäft, das grossen Ausverkauf hat und poste noch ein indisches Tuch für unser Interieur. Habe die uns zugestandene Viertelstunde nur um zwei Minuten überzogen.
Unterwegs sehen wir einen Kranichschwarm über uns hinwegziehen und sind von der Eleganz der Vögel und ihrem Formationsflug tief beeindruckt. Als wir in Estepona unseren Platz zugewiesen erhalten haben, liegen wir neben einem schwedischen Ehepaar mit ihrem Schiff Flying Penguin. Zum ersten Mal, seit wir unterwegs sind, werden wir von Fahrtenseglern auf ein Glas Wein auf ihr Schiff eingeladen. Wir freuen uns sehr und lernen den heimlichen Kapitän des Schiffs, den Plüschbären Charly, kennen. Wir laden sie auch auf eine Stippvisite auf Suleika ein. Am späteren Nachmittag fahren wir mit Hjalmar, dem Schweden und einem Mechaniker, den er für kurze Zeit an Bord hat, aufs Meer, um einige technische Einrichtungen auf Vordermann zu bringen, den Wassermacher und die Wasserqualität zu testen. Das Schiff ist viel grösser als unsere Suleika. Nach einer guten Stunde sind wir wieder im Hafen und gehen auf unser eigenes Boot zurück.

   
Captain Charly   Hjalmar und Martin   Hjalmar mit Ariane und Charly


Samstags mache ich mich nach dem Frühstück – trotz strömendem Regen – zu Fuss auf den Weg ins Dorfzentrum, da sich dort die von Frau Kraft empfohlene deutsche Buchhandlung befindet. Als ich – wie Anne Peer, die Inhaberin der Buchhandlung, am Telefon erklärt hat – in die Calle Teatro einbiege, habe ich das Gefühl, in einem Sturzbach zu waten und nicht mich auf einer Strasse fortzubewegen. Die Hosenbeine meiner Jeans sind total durchnässt, aber der feine Kaffee, den mir Anne offeriert, tröstet mich über das Schlimmste hinweg. Zum ersten Mal seit Verlassen der Schweiz bin ich in einer Buchhandlung mit fast nur deutschen Büchern und entsprechend schlecht kann ich meinen Kaufrausch bezwingen. Das Angebot ist breit gefächert und stellt mich total auf. Kurz vor Ladenschluss reisse ich mich von den Regalen los und spaziere zurück zum Hafen. Zum Glück hat der Regen beinahe aufgehört. Im Hafen kämpfe ich mit der Technik, komme mit meinem Badge nicht auf unseren Kai, gehe dreimal zwischen Tor und dem Aufenthaltsort der Marineros hin und her – zwischenzeitlich regnet es wieder ganz kräftig – und als das mit dem Öffnen endlich klappt, zipft mir die Karte aus der Hand und landet im Hafenbecken......

   
beim Lesen   Regenwetter in Estepona  

Am nächsten Morgen muss ich mich mal erst um die Beschaffung eines neuen Badges kümmern, was zum Glück problemlos klappt. Die junge Frau auf der Captianía ist bemerkenswert verständnisvoll, auch bereits von meinem Malheur durch den Marinero unterrichtet und ausgesprochen nett. Nachdem ich das Nötigste einkauft habe, kurz über den Markt im Hafenareal geschlendert bin, verbringen wir den Rest des Tages auf Suleika und ich vertiefe mich in die von Frau Kraft empfohlene Lektüre. Ein Roman, der in Gibraltar und Umgebung spielt.

   
Anne Peer, Inhaberin   des Leselandes Libresso  

Die Anziehungskraft der Buchhandlung Libresso in Estepona ist auch am Montagmorgen ungebrochen und ich mach mich nochmals auf den Weg, da ich am Samstag die CD mit Rilkes Cornet, gesprochen von Will Quadflieg, nicht gepostet hatte und mir dies jetzt doch keine Ruhe lässt. Ja, und dann sind natürlich auch nochmals drei Bücher mitgekommen. Konnte nicht dagegen ankämpfen. Der Nachmittag vergeht wie im Fluge, wir lesen beide ganz intensiv.
Am Dienstag motoren wir nach Sotogrande. Wir durchqueren unterwegs zwei massive Regenschauerstreifen. Zum Glück besitzen wir beide je ein dichtes Ölzeug. Was wir wohl auch mal noch posten müssen, sind zwei Südwester. Während des zweiten Regenschauers war ich kurz unten, um etwas ins Logbuch einzutragen. Als ich wieder raufkomme, bin ich einigermassen baff, dass unser Ziel, der Hafen von Sotogrande, in der Regenbank verschwunden ist. Erst nach einer geraumen Weile bessert sich die Sicht erneut und können wir unseren Hafen wieder ausmachen. Wir legen an dem von der Capitanía bestimmten Platz an und werden – ungefähr zwei Stunden danach – nochmals verschoben. Der zweite Platz hat nur Vorteile: er befindet sich näher bei den Duschen und der Wasseranschluss ist – im Gegensatz zum vorherigen – dicht.

   
Afrika und Gibraltar im Hintergrund   Suleika in Sotogrande  

Anderntags kundschafte ich den hafeneigenen Supermarkt aus. Lieber einer ohne Gemüse, als einer, in dem die seit Tagen verfaulten Orangen mit den zum Kauf angebotenen zusammen im Früchtekistchen liegen! Da Grünfutter das Nötigste ist, mache ich mich nachmittags auf die Socken für einen längeren Marsch durch endlose, verlassene Villenquartiere. Schlägt mir irgendwie auf die Moral. Nach dem Grosseinkauf – alles bestens im Rucksack verladen – folge ich der grossen Strasse zurück, da die Strecke kürzer ist, allerdings noch wesentlich ungemütlicher als der Riesenumweg durch das Villenquartier. Na, bin froh, wieder daheim zu sein. Martin hat in der Zwischenzeit eine Crewliste erstellt, da dies in Gibraltar verlangt wird, und geht die nun ausdrucken. Das Internet im Cybercafé funktioniert nicht, so dass er die Leute von der Capitanía bittet, die Liste ein paar Mal auszudrucken, was die im Sinn einer Ausnahme auch machen.
Zeitig am Donnerstag stehen wir auf und brechen auf Richtung Gibraltar. Wir sind beide nervöser als sonst, Gibraltar ist eine echte Etappe auf unserer Reise. Unterwegs hissen wir die britische Flagge und die gelbe. Letztere sagt aus, dass wir noch nicht einklariert sind. Schon von weitem sehen wir jede Menge Tanker vor Anker liegen. Wir runden aufgeregt Punta d’Europa und kaum sind wir in die Bucht von Gibraltar eingetaucht, spielt eine ganze Herde Delfine mit Suleika. Eine schöne Begrüssung. Wir erhalten einen Platz in der Marina Bay. Sie liegt gleich neben der Flugpiste von Gibraltar. Eine derartige Nähe wäre in der Schweiz aus Sicherheitsgründen undenkbar! Wir klarieren ein und sind erleichtert, problemlos hier angekommen zu sein. Neugierig mache ich mich auf Entdeckungsreise in Gibraltar, während Martin, wegen aufkommendem Wind, mit der Mooringleine zu kämpfen hat. Zum Glück hilft ihm ein Nachbar von vis–à–vis, Suleika korrekt festzumachen. Ich erkunde mal die Hauptstrasse von Gibraltar. Ist schon witzig, eigentlich mitten in Spanien auf britische Jugend in Schuluniformen zu stossen. Die Schmuckgeschäfte scheinen samt und sonders Indern zu gehören, aus allen Schaufenstern lacht mir der schön geschmückte Elefantengott entgegen und in den Strassen tummeln sich viele orthodoxe Juden mit Käppchen resp. Perücken. Gibraltar hat etwas von einem kleinen Hong Kong.
   
Bye bye Spanien   Hello Great Britain  

   
Der Felsen von Gibraltar   Europa Point   Gibraltar Bay


Wir schlafen ausgiebig aus. Da sie hier in der Marina Bay keine Schwimmstege haben, die Ebbe und Flut aber recht massiv ins Gewicht fällt, ist das Aussteigen aus Suleika nicht immer ganz einfach. Das kanadische Ehepaar, das in unserer Nähe liegt, hilft mir, Martin sicher ans Land zu bringen. Die beiden sind ausgesprochen sympathisch. Da wir uns entschlossen haben, den Atlantik erst im Herbst zu überqueren, posten wir uns einen Führer für Marokko. Dann flanieren wir durch die Stadt, geniessen die geschäftige Atmosphäre, trinken auf dem Hauptplatz ein Bierchen und lassen das bunte Völkchen an uns vorüberziehen und auf uns einwirken.

Den Samstag gehen wir gemütlich an. Während ich einkaufe, räumt Martin auf und liest ein wenig. Wir laden Deborah und Brian, das kanadische Ehepaar vom gleichen Steg, zu einem Drink auf unser Boot ein. Sie nehmen gerne an und besichtigen unsere Suleika mit grosser Begeisterung.

   
Suleika rechts von Chinook (Kanada)    

Am Sonntag lädt uns Herr Kraft zum Mittagessen in La Linea ein. Zum ersten Mal überqueren wir die Grenze nach Spanien, dazu traversieren wir zu Fuss die Flugpiste von Gibraltar. Ein eigentümliches Gefühl. Herr Kraft holt uns mit dem Auto ab und hat seinen Hund, den Zwergschnauzer Salpi, mit dabei. Rainer Kraft führt uns in ein ausgezeichnetes Fischrestaurant. Wir essen Tapas und anschliessend einen feinen Fisch, der in der Salzkruste gebacken worden ist. Ganz zart und feucht. Ein Gedicht. Rainer kommt nach dem Essen mit Salpi noch auf unser Boot und Martin erklärt ihm die Sache mit dem Amateurfunk. Als er uns verlässt, essen wir noch was kleines. Anschliessend sinken wir müde und zufrieden in unsere Koje.

   
Über die Piste zur Grenze    

Am Montag ist ein grosser Tag für uns. Wir steigen beide erstmals in den Mast. Zuerst ist Martin an der Reihe. Gesichert in meinem alten Klettergestälti, am Grossfall, erklimmt er Stufe für Stufe den Mast, bis er ganz zuoberst angelangt ist, die Birne aus der Beleuchtung schraubt, da er die vorhandene gerne durch eine LED–Birne ersetzen möchte. Als er wieder sicher auf dem Deck gelandet ist, versuche ich mich auch in der Erklimmung der Höhe. Ich gebe auf den drittletzten Maststufen auf, da ich nicht so richtig weiss, wo ich mich danach festhalten soll. Das werde ich noch Mal nachholen. Martin erklimmt den Mast ein zweites Mal und schraubt auch noch zwei andere Birnen auf halber Höhe raus. Er geniesst die Klettereien in vollen Zügen. Am Abend sind wir bei Deborah und Brian auf einen Drink eingeladen. Wir sind riesig gespannt auf ihr Schiff. Kaum tauchen wir in den Schiffsbauch ein, sind wir überwältigt von der gemütlichen Atmosphäre. Ihr Schiff ist fünfundzwanzig Jahre alt und ein echtes Antiprogramm zu Suleika. Das ganze Interieur ist mit Teak ausgelegt – also viel dunkler als bei uns – sie haben überall schöne Messinglämpchen montiert und man merkt, dass sie schon mehr als fünf Jahre auf dem Schiff zu Hause sind. Wir sind ganz bezaubert von ihrem Schiff, aber auch von den beiden. Martin und Brian fachsimpeln über das Wetter und Brian bietet an, am nächsten Tag auf unserem Computer ein Programm zum Herunterladen von Wetterberichten zu installieren, was wir gerne annehmen. Leicht angeheitert verlassen wir ihr Schiff, landen sicher am Ufer und auch wieder glücklich daheim auf Suleika.

   
Martin im Mast   Mit Deborah und Brian in der Chinook  


Brian erscheint pünktlich um elf Uhr und Martin und er sind eine ganze Weile damit beschäftigt, das Wetterprogramm auf unseren Computer zu kriegen. Ich lese in der Zwischenzeit. Nachmittags gehen Martin und ich einkaufen. Wir haben so einiges auf unserer Liste für das Schiff. Leider ist der Schiffszubehörladen ziemlich ausgeschossen und wir kehren einigermassen ernüchtert zurück. Müssen wohl herausfinden, ob es noch einen anderen derartigen Laden hier gibt. Da uns sowohl die Kanadier als auch Rainer Kraft von Sevilla und Portugal vorgeschwärmt haben, nehmen wir die beiden Punkte in unser künftiges Programm auf. Leider finden wir den entsprechenden Führer nirgends an Lager. So begnügen wir uns mal mit dem, den uns Deborah und Brian ausgeliehen haben.