Logbuch
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Wir sind in Sète!
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Montag, 5. Dezember – Mittwoch, 14. Dezember 2005

Der fünfte Dezember war ausschliesslich unserem letzten Logbucheintrag gewidmet. Bericht verfassen, Fotos auswählen und verkleinern, den Bus noch rechtzeitig erwischen, um das Internetcafé aufzusuchen und dort den Computer zu überreden, doch noch so weit zu funktionieren, dass wir das Mail und die Fotos übermitteln können, war eine tagefüllende Beschäftigung. Dorothee halsen wir damit einiges an Arbeit auf. Sie erledigt das souverän. Tausend Dank!

Am Dienstag mache ich mich auf, eine NZZ zu kaufen. Die Ausgabe von Montag ist erhältlich und ich rechnete fest damit, das Dezemberfolio zu ergattern. Aber weit gefehlt, nicht nur fehlt meine Lieblingslektüre, die Todesanzeigen, auch auf das Folio muss im Ausland verzichtet werden. So schade! Da die Sonne scheint, gehen wir trotz bitterer Kälte am Strand spazieren und sammeln wunderschöne Muscheln ein. Am Nachmittag verräumen wir ein paar Dinge im Schiff, die schon lange an der Reihe gewesen wären. Wir rufen Erna an, die heute ihren Geburtstag feiert und sie freut sich sehr an unserem wunderschönen Geburtstagssong. Leider verfügt sie nicht über Email und hat auch keine ihr nahestehende Person, die ihr unsere Logbucheinträge ausdrucken könnte.

Die nächsten Tage fliessen gemütlich dahin. Am Sonntag haben wir zum zweiten Mal – wie vergangenen Sonntag – das Gefühl, das Wetterfenster zum Weitersegeln verpasst zu haben. Da es für Montag auch einigermassen gut aussieht, stellen wir den Wecker, hören uns den aktuellen Wetterbericht an und beschliessen, nach Sète zu segeln. Da wird einiges an vergessener Aufregung wieder wach. Alles im Schiff muss so versorgt werden, dass keine Krängung den Dingen etwas anhaben kann. Wir bereiten eine Flasche heissen Tee vor, begleichen unsere Rechnung auf der Capitainerie und legen ab.

Die Überfahrt können wir zum grössten Teil segeln. Wir hatten schon beinahe vergessen, wie herrlich das Gefühl ist, lautlos übers Wasser zu gleiten! Der Himmel ist den ganzen Tag bedeckt und es herrscht eine erbärmliche Kälte. Unsere Öfelchen können wir nur mit Landstrom betreiben. Als wir in Sète ankommen, herrscht eine Innentemperatur von 10 Grad Celsius. Richtig gemütlich! Erster Programmpunkt wird sein, eine zusätzliche Decke zu posten, damit wir nachts wärmer haben. Im Hafen angekommen, finden wir ein schönes Plätzchen am Besucherquai, binden Suleika gut fest und melden uns auf der Capitainerie an. Zurück aufs Schiff, Martin räumt das Deck auf und ich kümmere mich um unser leibliches Wohl.

   
Fahrt nach Sète   Martin friert – Windfahne steuert   Ariane lacht


Am Dienstag stehen wir zeitig auf, um die Stadt zu erobern. Zuerst muss ich feststellen, dass sich hier im Hafen die sanitären Anlagen in so einem Art Bunker befinden und nicht so kuschelig warm geheizt sind, wie die in Port Camargue. Schade, aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben. (Wieso eigentlich nicht?). Nachdem wir uns auf der Touristeninfo schlau gemacht haben, besuchen wir den Weihnachtsmarkt. Die Vorstellung davon war viel schöner! Das Ausmass und das Angebot sind äusserst bescheiden. Wir flanieren durch die Fussgängerzone und stellen fest, dass die nicht nur mit Lampen, Kugeln und Beleuchtung dekoriert wird, sondern dass sie hier die Fussgänger auch noch mit Weihnachtsmusik beschallen. Dies ist besonders befremdlich, wenn bspw. aus einem Jeansgeschäft Rockmusikfetzen quellen... Trotzdem gefällt uns das bunte Treiben. Am Nachmittag fahren wir per Bus, der öV ist hier für französische Verhältnisse ausserordentlich gut, ins grösste Warenhaus von Sète und posten eine zusätzliche Decke für unsere Koje. Die Dunkelheit ist schon über die Stadt hereingebrochen, als wir völlig erledigt von den vielen neuen Eindrücken zu Suleika zurückkehren.

   
Ariane kocht    

Den heutigen Tag attackieren wir etwas verspätet. Wir müssen uns sputen, um auf dem Wochenmarkt noch die Handschuhe zu ergattern, welche wir für die nächste Überfahrt dringend benötigen. – Die letzte haben wir mit den Ankerhandschuhen gemacht, war aber doch etwas kühl an den Händen. – Dieser Markt ist einsame Spitze. Er quillt über vor Gemüse, Früchten, Käse, Fleisch, Gewürzen, Kleidern, Schuhen, Schmuck, Küchenutensilien und anderem mehr. Die Lebensmittelstände drängen sich in den Strassen eng aneinander, die Nonfood–Abteilung ist in einem Park, genauso eng und wusselig. Wir haben den Eindruck, ganz Sète sei auf den Beinen, treffe sich beim Posten auf einen kleinen Schwatz und geniesse das Leben! Wir finden unser Glück mit zwei Paar Handschuhen, wärmen uns in einer Brasserie bei Fischfilets und Basmatireis von der Zapfenkälte draussen und fahren dann per Bus auf den Aussichtspunkt beim grossen Kreuz. Die Aussicht ist atemberaubend, der bissig kalte Wind auch! Trotzdem geniessen wir die Schönheit des Augenblicks. Es gibt auch eine wunderschöne Kapelle mit interessanter Architektur und ansprechenden Wandgemälden.

   
Wochenmarkt   Für Käseliebhaber  

   
Bonbons ...   Modische Schals   Keine Angst vor Dracula


   
Stadt Sète   Aussicht auf den Hafen von Sète...   ... mit Suleika vor dem Leuchtturm


Als nächstes steht das Museum Paul Valéry auf dem Programm. Fasziniert lesen wir seinen Lebenslauf und betrachten die Tagebuchaufzeichnungen, die häufig von gekonnten Federzeichnungen und Aquarellen unterbrochen werden. Die aktuelle Bilderausstellung von André Cervera, eines noch lebenden Künstlers aus Sète, spricht uns – bis auf wenige Ausnahmen – wenig an. Wir flanieren noch zum Cimetière Marin, wo Paul Valéry begraben liegt. Ein wunderschöner Spaziergang Richtung Hafen. Im Hafen selbst herrscht aufgeregtes Treiben, die Fischerboote laufen ohne Unterlass ein, was die Möwen zu grosser Bewegung und lautem Kreischen veranlasst. Auf Suleika angekommen, sitzen wir mit allen Kleidern im Salon, bis das Öfelchen die Raumtemperatur von den 11 Grad weggeheizt hat, die herrschten, als wir ankamen. Wir verwöhnen uns mit einem Plättchen mit Sardinen, Tomaten, Spargeln, Rüebli, Käsbrötli begleitet von Tee Rum. So lässt sich gut leben!

   
Cimetière Marin   Grabskulptur   Möwen im Fischerhafen von Sète