Logbuch
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Erneuter Abschied von Aigues-Mortes
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Montag, 7.11. - Donnerstag, 17.11.2005
Wieder ein Tag auf unserem aufgebocktem Schiff. Ein Schweizer mit seiner holländischen Frau lassen sich von Herrn Sirvent den Mast ihres Katamarans ablegen, damit sie in den Kanälen nach Lust und Laune unter den Brücken durchshippern können. Ich verschenke der Frau einen Sack gelesener Bücher. Sie freut sich sehr und gibt mir auch drei für mich neue Bücher zur Lektüre. Super. Wir wechseln das Getriebeöl zum ersten Mal selber. Alles klappt wie am Schnürchen. Abends gehen wir ganz fein essen im Oustau Camarguais und trinken eine schöne Flasche Wein, welche uns die Wirtin zu einem Freundschaftspreis überlässt, wohl weil wir anlässlich der Schiffstaufe bei ihr gegessen haben.


Rémy Fuss ist bereits auf dem Chantier an Suleika tätig, als wir gegen 9h30 eintreffen. Wir helfen ihm, die alte Farbe abzuschleifen. Wir bearbeiten auch die Stellen, welche vom Gebrauch nicht mehr schön sind. Rémy klebt diese Stellen alle mit Malerband ab, so dass Suleikas Rumpf wie ein Patchworkkunstwerk aussieht. Wir stellen uns vor, alle Vierecke mit verschiedenen Farben anzumalen und dieser Gedanke amüsiert uns. Natürlich setzen wir ihn nicht in die Tat um. Vielleicht das nächste Mal, wer weiss? Rémy streicht alle abgeklebten Stellen liebevoll neu an. Wir essen zu dritt im Cockpit zu Mittag und erhalten Tipps von ihm, wo wir in Brasilien hin sollen (ist zur Zeit noch ziemlich weit weg, kommt aber bestimmt eines Tages zum Tragen). Er hat zwei neue Fusspumpen gebracht und wechselt die aus. Als er uns verlässt, räumen wir das Schiff noch auf und verziehen uns dann auch ins Hotel.

Am nächsten Morgen gehen wir auf den Markt einkaufen. Mitten in unserer Posterei fängt es wie aus Kübeln an zu schütten. Wir flüchten uns unter ein Vordach, werden von der Fischverkäuferin ins Ladenlokal reingebeten. Dort haben wir zwar mehr Schutz, aber kältere Temperaturen, so dass es uns weiterzieht und wir unter einem Hotelvordach eine ganze Weile abwarten, bis sich der Himmel etwas beruhigt. Wir trocknen uns und unsere Klamotten im Hotelzimmer. Den Nachmittag verbringen wir auf Suleika. Martin entwirft den Schriftzug für den Rettungsring und um 17h00 kommt Nicolas vorbei, um sich das Gestänge unserer Sprayhood anzuschauen, da er den Stoff und die Plastikfenster erstellen wird. Abends erfahren wir per SMS, dass Fränzi ihre Abschlussprüfungen in Pharmazie bestanden hat. Wir freuen uns riesig und gratulieren ihr herzlich. Martin ist ganz der stolze Vater.

Wieder einmal dürfen wir uns den fast antiken R4 von Philippe Sirvent zum Posten ausleihen und geniessen das in vollen Zügen. Nachmittags male ich den Schriftzug Suleika auf den Rettungsring, währenddem Martin die Schrauben bei dem Fusspedal der Ankerwinch neu einleimt. Philippes Kommentar zu meinen Malkünsten: De loin c'est beau, mais c'est loin d'être beau. Zu meinem Leidwesen muss ich ihm recht geben… Nachmittags spazieren wir zur Post und begleichen die Rechnung für die Antifoulingfarbe. Das läuft glatt über die Bühne.

Am 11. November ist Feiertag in Frankreich: Das Ende des ersten Weltkriegs. Da wir das wissen, schlafen wir ausgiebig aus, holen dann die Bettwäsche auf Suleika und pilgern zu Fuss, mit zwei vollen Rucksäcken, zum Selbstbedienungswaschsalon, wo wir uns der Lektüre widmen, während die Wäsche dreht. Als wir ins Hotel zurückkommen, ist die Angestellte völlig aufgelöst, da eingebrochen worden ist und Geld weggekommen ist. Auch in Aigues-Mortes ist die Welt nicht mehr heil. Der Hotelier bricht seinen Dreitages-Spanien- Urlaub ab und kommt zurück.

Wieder - diesmal eine längere Fahrt - mit dem R4. Wir rollen auf der Autobahn nach Montpellier und fühlen uns wie in einem alten französischen Film. Leider gibt es auch dort den heiss ersehnten Akku für unser Natel nicht, so dass wir unverrichteter Dinge wieder zurückkommen. Abends laden wir den Hotelier samt Freundin zur Ablenkung auf Suleika zu einem Apero ein. Beide waren noch nie auf einem Segelschiff. Schade, dass wir auf dem Trockenen standen und nicht im Wasser lagen. Ist doch nochmals ein anderes Gefühl.

Den Sonntag nehmen wir gemütlich in Angriff. Martin flickt das Rückschlagventil der Bilgenpumpe und hängt zwei Postkarten auf: Die Frau im See von Andreas Zihler und die beiden Camarguepferde, welche Ulla und Didier uns geschenkt haben. Die beiden Karten sehen super aus und wir freuen uns nun täglich an ihrem Anblick. Nachmittags ist es wieder mal so weit: ich schneide Martin die Haare.

Heute ist unser letzter ganzer Tag in Aigues-Mortes. Wir stehen zeitig auf, da wir nicht wissen, wann Philippe Suleika ins Wasser legt. Da er noch einiges sonst zu tun hat, machen wir auf den Beginn des Nachmittags ab. Wir werkeln im Schiffsinnern. Diesmal sind wir bei der Wasserung schon etwas weniger nervös als beim letzten Mal. Aber ein Ereignis bleibt es für uns allemal. Zu Beginn kommt es uns komisch vor, wenn Suleika schwankt, weil ein anderes Schiff vorbeifährt. So schnell haben wir uns an den festen Grund gewöhnt! Abends ein letzter Grosseinkauf per R4. Und dann früh in die Klappe.

Dienstag ist der grosse Tag des Aufbruchs. Früh auf, Hotelzimmer leeren, bezahlen, ab aufs Chantier. Dort alles einpuffen im Schiff, die Rechnung begleichen und so ablegen, dass wir die Zugbrücke um 11h30 schaffen werden. Wir sind ziemlich nervös, Martin hat schlecht geschlafen. Philippe Sirvent, sein Vater und sein Neffe helfen uns ablegen. Die Strömung ist mit uns, so dass wir eine Viertelstunde zu früh bei der Zugbrücke sind. Martin hält das Boot so gut es geht an Ort. Doch es dauert zu lange, wir wenden, fahren aufwärts und kehren um, als wir sehen, dass der Brückenwart die Autos anhält. Bei der Schwenkbrücke kommt uns ein Engländer mit Kanalschiff in der Mitte entgegen, ohne auszuweichen, so dass wir umkehren. Er bedankt sich mit einem herrlichen "Möarsi". Als nächstes kommt ein Segelschiff im Rückwartsgang. Der Skipper klärt uns darüber auf, dass er nur noch über den Rückwärtsgang verfügt. Endlich sind wir an der Reihe! Kurz vor der Ausfahrt kreuzen wir noch ein Fischerboot. Da

s Meer ist einigermassen ruhig und wir kommen gut in Port Camargue an. Das erste Landemanöver am Quai d'accueil missglückt, das zweite gelingt dafür in Viersternqualität. Dasselbe gilt auch für das Parkieren in dem uns zugewiesenen Platz. Übung macht den Meister.

In Port Camargue ist es sehr kalt. Wir messen 17 Grad Celsius auf dem Schiff. Ich verschwinde samt Bettflasche (Vielen Dank Mami) im Bett. Als ich etwas aufgewärmt bin, platziere ich die Bettflasche auf Martins Seite, damit er nicht erfriert beim ins Bett kommen. Die Nacht ist zapfenkalt und das Aufstehen am Morgen erfolgt entsprechend rasch. Wir beschliessen, etwas zu ändern und gehen einen kleinen Umlufterwärmer posten. Kaum zurück auf dem Boot, kümmert sich Martin um das Montieren des Kabels, der Stecker und dem Ausfeilen der Alutür. Ich koche zwischenzeitlich einen Gratin Dauphinois. In der warmen Stube geniessen wir den Znacht, lesen und plaudern noch eine ganze Weile. Herrlich, wenn man nicht friert.

Heute hätte Nicolas kommen sollen, um das Modell der Sprayhood anzufertigen. Wir rufen ihn an: zuviel Wind. Heute ist es nicht möglich. Morgen kann er nicht. Wieder werden wir vertröstet: diesmal auf Montag. Hoffentlich spielt dann das Wetter mit. Da der öffentliche Verkehr mehr als mager ist in Frankreich, beschliessen wir, zu Fuss nach Le Grau du Roi zu wandern. Es gibt eine wunderschöne - leider heute sehr zugige - Meerpromenade. Im Städtchen angekommen erhalten wir tatsächlich den langersehnten Natelakku. Wir feiern das mit einem Zmittag in der Brasserie. Nachher schauen wir bei VégaVoiles vorbei, posten noch ein paar Kleinigkeiten fürs Schiff und nehmen wieder den Heimweg unter die Füsse. Schön ist es in einem geheizten Schiffsbauch!